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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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Felsen zu, von denen das Geräusch kam. Eva folgte ihm. Da entdeckten sie oben auf einer Anhöhe Hyänen. Sechs oder sieben. Der Mann lächelte. Er entsann sich des Augenblicks, als ihr Name in seinem Geist erschienen und in seinem Mund Form geworden war. Aber diesmal bemerkte er zum ersten Mal die Ähnlichkeit ihres Rufes mit dem Laut seines eigenen Lachens. Er lockte sie. Alle Tiere pflegten sich ihm zu nähern, wenn er sie rief.
    Doch die Hyänen folgten seinem Ruf nicht. Sie nahmen Witterung auf. Ihr kehliges Lachen wich einem heiseren Knurren. Sie beobachteten die Menschen scharf und bewegten sich unruhig. Eva sah, dass ein Tier den Abstieg begann. Ohne zu wissen, warum, lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken.
    »Sie erkennen uns nicht, Adam«, presste sie alarmiert hervor. »Lock sie nicht an. Lass uns lieber gehen.«
    Adam warf ihr einen befremdeten Blick zu. Ihre Bedenken wischte er mit einer Gebärde beiseite, die von seiner Herrschaft über die wilden Tiere kündete. Er rief sie erneut.
    Eva wich ängstlich zurück. Zwei Hyänen stiegen von der Anhöhe herab. Die anderen liefen ruhelos und unentschlossen oben auf und ab und stießen unbekannte, feindselige Laute aus.
    Ohne die Warnung der Frau zu beachten, ging Adam ihnen entgegen. Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, streckte er die Hand nach den Hyänen aus, um sie zu kraulen, wie er es im Garten mit allen Tieren getan hatte. Erst da merkte er, wie anders vieles nun war, was vorher gegolten hatte. Die mutigste Hyäne duckte sich, setzte zum Sprung auf Adam an und verpasste ihm einen Hieb mit der Pranke, der ihm die Hand aufriss. Das war das Signal für die anderen, die rasch von den Felsen herabkamen. Eva schrie aus Leibeskräften, bückte sich, hob einen Steinbrocken vom Boden auf und schleuderte ihn mit aller Gewalt gegen das Rudel. Überrascht horchten die Hyänen auf und standen einen Moment still.
    Da folgte Adam Evas Beispiel, hob ebenfalls Steine auf und begann sie nach den Tieren zu werfen, während er beunruhigt zurückwich. Und dann rannten der Mann und die Frau, vom Instinkt getrieben, so schnell ihre Beine sie trugen, in Richtung Garten, von dem Vorfall wie vor den Kopf gestoßen und von einer Angst gepackt, die ihnen bis ins Mark fuhr.
     
    Als sie schon fast da waren, fasste Adam Eva keuchend und schwitzend und mit verzerrtem Gesicht bei den Schultern.
    »Lass uns um Vergebung bitten, Eva. Komm, wir werfen uns nieder und bitten Elohim, dass er uns wieder zurückkehren lässt. Und du musst mir versprechen, dass du nie, nie wieder von der verbotenen Frucht isst.«
    »Nie wieder«, versprach sie und nickte, zu allem bereit, wenn sie bloß diesen wirren Blick des Mannes nicht mehr aushalten und auch die Angst nicht mehr spüren musste, die ihr die Knie weich machte.
    »Vielleicht geht es ja, schließlich haben wir Elohims Wissen noch nicht ganz erkannt. Er kann uns nichts vorwerfen. Wir sind immer noch dieselben.«
     
    Eva betrachtete ihn. Sie wollte ihm nicht sagen, dass von dem Lichtschein, der vorher um ihn gelegen hatte, nichts mehr übrig war, und auch nicht, dass er zusehends kleiner wurde. Sie mochte nicht an den Klagelaut denken, mit dem er die Luft in die Lunge einsog. Eine bleierne Angst und die überstürzte Flucht vor den Hyänen nahmen ihr den Atem. Er hatte recht. Das Beste wäre, zurückzukehren, Vergebung zu erflehen, sich zu erniedrigen.
     
    Dicht am Rand des tiefen, klaffenden Risses warfen sie sich nieder. Die Luft war jetzt wieder vollkommen klar, und in dem Abgrund war vage ein Haufen glatter, kantiger Bruchsteine zu erkennen. Jenseits der Spalte erspähten sie die herrliche Krone des Lebensbaumes. Gierig füllte Adam seine Lungen mit der frischen Luft. Hätte er doch nur mit einem Riesensatz in den Garten zurückgekonnt, er würde sich gewiss nie mehr von dort wegbewegen, dachte er. Er lag neben Eva auf den Knien, und seine Lippen berührten den sandigen Boden, als er seine Reue lauthals hinausschrie, all die Klagen und all das Flehen, das ihm über die Lippen kam. Eva unterstützte ihn zerknirscht und beschämt, wie er erhob sie die Stimme, bis sie merkte, dass ihr ganzes Feuer in diesem Betteln verglomm.
     
    Da stieg unversehens aus dem Abgrund ein Windstoß auf und umfing sie, zerzauste ihnen das Haar und riss die Blätter weg, mit denen sie ihre Nacktheit bedeckt hatten. Vor ihren Augen verwandelte sich der Wind in eine brennende Substanz, ein riesiges rotglühendes Blatt, langgezogen und sich dann

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