Unendlichkeit in ihrer Hand
geklappt hätte, wären wir dann ins Paradies zurückgekehrt?«, wollte Eva wissen. »Hat er uns nur gerettet, weil er nicht wollte, dass wir zurückkommen?«
»Es gibt keine Rückkehr vom Tod. Deshalb solltet ihr einen zweiten Versuch lieber unterlassen. Ihr habt ja noch kaum gelebt. Es ist das Leben, das euch dem Paradies näherbringt.«
»Aber wie?«, drängte Adam.
»Da kann ich euch auch nicht weiterhelfen. Elohim zieht mich nicht mehr ins Vertrauen. Ich bin ganz allein.«
»Immerhin weißt du eine Menge.«
»Wissen ist nicht die Lösung für alles. Das werdet ihr schon noch merken. Ich gehe jetzt. Es ermüdet mich, so viele Fragen zu beantworten.«
Lautlos glitt sie über die Zweige davon und verschwand im Laub.
Die Frau streckte sich nachdenklich ins Gras. Adam legte sich zu ihr. Eine Weile verharrten sie schweigend und starrten durch die Baumwipfel zum blauen Himmelsgewölbe hinauf.
»Ich frage mich, ob die Schlange sozusagen Elohims Eva ist«, sinnierte sie. »Bei unserem Geplauder im Garten hat sie mir nämlich erzählt, dass sie zugesehen hat, wie er Konstellation um Konstellation erschaffen hat und ihrer dann wieder überdrüssig wurde. Fest steht, dass sie sich schon sehr lange kennen.«
»Vielleicht ist sie ja aus ihm hervorgegangen, wie du aus mir.«
»Warum hat Elohim uns voneinander getrennt, was glaubst du?«
»Wahrscheinlich dachte er, wir könnten zusammen in einem Körper leben, aber das hat nicht geklappt. Er hat dich zu tief in mich hineingelegt. Da konntest du weder sehen noch hören. Deshalb hat er beschlossen, uns zu trennen, dich aus meinem Inneren zu holen. Das ist der Grund, warum es uns so gutgeht, wenn wir wieder eins werden.«
»Du glaubst aber doch, dass ich an allem schuld bin, was uns passiert ist. Weil ich dich aufgefordert habe, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Das hättest du ja nicht zu tun brauchen.«
»Stimmt. Aber sobald du davon gegessen hattest, blieb mir nichts anderes übrig. Ich dachte, du würdest nicht weiterleben. Ich wollte nicht wieder allein bleiben. Wenn ich nicht von der Frucht gegessen hätte und der Andere nur dich aus dem Garten vertrieben hätte, dann wäre ich ohnehin losgezogen, um dich zu suchen.«
Evas Augen füllten sich mit Wasser.
»Ich habe kein bisschen daran gezweifelt, dass du davon essen würdest«, sagte sie.
»Und ich habe dich anschließend auf eine Weise gesehen wie nie zuvor. Deine Haut schimmerte so sanft. Und du hast mich angesehen, als würdest du dich plötzlich genau an die Stelle erinnern, wo du in mir wohntest, bevor der Andere uns getrennt hat.«
»Ich war wie geblendet von deinen Beinen. Von deiner Brust. So breit. Natürlich habe ich den Wunsch verspürt, wieder dort einzutauchen. Ich habe dich im Traum gesehen. Du hast den Körper eines Baumes. Du beschützt mich, damit die Sonne mich nicht versengt.«
Ohne sich zu verständigen, standen beide gleichzeitig auf und stiegen erneut in die Fluten, um sich zu erfrischen.
»Euphrat«, sagte Adam, »so heißt der Fluss.«
Sie ließen sich in der Strömung treiben und gaben sich dem Rausch des kristallklaren Wassers hin. Die Freudensprünge der Fische, deren buntes Glitzern sie so oft bewundert hatten, waren ihnen ohne weiteres nachvollziehbar. Adam öffnete die Lippen und trank in langsamen Schlucken das kühle Nass. Der Geschmack der verbotenen Frucht stieg wieder in ihm auf, und er suchte Eva. Sie begannen sich zu küssen und einer in die andere einzudringen, erstaunt über ihre ungewohnt leichten und fließenden Körper. Lange verharrten sie reglos eng umschlungen und suchten nach der verlorenen Erinnerung und nach den gemeinsamen Bildern, als sie noch ein und dasselbe Geschöpf waren, um den nunmehr getrennten Bilderstrom mit jenen zu vereinen. Vergeblich durchforschten sie die feinen Gänge des eigenen Geistes, um in die Empfindungen des anderen vorzudringen, aber sie schafften es nicht, den Raum zu überwinden, in dem jetzt jeder unweigerlich allein lebte, unerbittlich in den Grenzen des eigenen Körpers gefangen. Sosehr sie sich auch bemühten, sie konnten keinen Blick auf die verschlungene Landschaft der innersten Gedanken des anderen erhaschen. Als sie diese unüberwindliche Hürde erkannten, öffneten sie sich einander vorbehaltlos, samt Muskeln und Knochen, um sich die einzige Intimität zu verschaffen, die ihnen ganz und gar vergönnt war und die sich ihnen inmitten von Schlamm und Algen auf der nahen Uferböschung erfüllte.
Auf dem
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