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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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Garten lag der tiefe Wald selbst am Tag streckenweise im Halbdunkel. Es roch modrig, und unter ihren Schritten knackten Äste und raschelten Insekten und Kleintiere, die vor ihr flohen. Sie nahm sich ausgiebig Zeit, um in aller Ruhe einen Tausendfüßler zu beobachten, eine Eidechse und eine Landschildkröte mit orangefarbenem Panzer. Sie fragte sich, wie viel Ewigkeit Elohim wohl benötigt hatte, um all das zu erschaffen, und ob er sich mit Einzelheiten aufgehalten hatte; oder ob die Geschöpfe, einmal entworfen, selbst dafür zuständig waren, die geeignetste Form zu finden, damit sie an all den verschiedenen Orten überleben konnten. Sie wunderte sich selbst, weshalb sie sich diese Fragen im Garten nie gestellt hatte. Dann kam ihr zu Bewusstsein, mit welcher Sanftmut sie damals alles, was sie umgab, angenommen hatte, und dass auch dies Teil einer Schönheit gewesen war, die sich selbst nicht hinterfragte.
    Sie glaubte, weit genug gegangen zu sein, um allmählich die Hügel zu erreichen, doch kam sie immer wieder vom Halbschatten ins Licht und vom Licht in den nächsten Halbschatten. Sie versuchte die Stelle auszumachen, wo sie in den Wald heruntergestiegen war, und schätzte, dass sie mindestens den halben Weg zurückgelegt hatte. Sie schaute sich um. Bestimmte Bäume glaubte sie an den Ranken wiederzuerkennen, die über den Stamm krochen, um kurz darauf festzustellen, dass sie sich geirrt hatte. Die Bäume spiegelten sich gegenseitig wie in einem ihrer wiederkehrenden Träume, die unaufhörlich um ein und dieselbe Sache kreisten.
    Sie machte kehrt und dachte, sie könnte ihre Spuren zurückverfolgen, verlor sie aber schon nach einer kurzen Strecke. Sie gab nicht auf. Sie sagte sich, dass sie bloß geradeaus und ohne Schleifen in eine Richtung zu marschieren brauchte, um an den Waldrand zu kommen. Die Waldsenke war nicht besonders groß und musste irgendwann aufhören. Sie lief und lief, ohne einmal anzuhalten. Mehrmals glaubte sie, dem Ende des Waldes schon ganz nah zu sein, dann war es wieder nichts.
    Sie hatte sich verlaufen, erkannte sie, wütend auf sich selbst. Aus Wut wurde Angst und dann Verzweiflung, als sie nach mehreren Versuchen, denselben Weg zurückzugehen oder verschiedene Richtungen zu verfolgen, merkte, dass das Tageslicht erlosch. Sie hatte Hunger und Durst. Da sah sie einen mächtigen, hohen Baum voller kleiner Früchte. Sie pflückte mehrere davon und legte sie sich auf den Handteller. Sie erkannte sie. Es waren Feigen. Kleiner und gelblicher als jene, die an den Feigenbäumen vor der Höhle wuchsen oder im Garten, aber immerhin Feigen. Am Fuß des Baumes ließ sie sich nieder. Sie würde ausruhen. Ausruhen und essen. Was würde Adam tun, wenn er sie nicht vorfand? Und was würde sie tun, wenn es ihr nicht gelang, den Ausgang zu finden?
    Die Geräusche nahmen im gleichen Maß zu, in dem das Licht abnahm. Zikaden und Grillen ließen ihr gedehntes, anhaltendes Abendzirpen vernehmen. Sie hörte das heisere Quaken der Frösche und bemerkte, wie die Nachtfalter erwachten. Vielleicht musste sie die Nacht dort verbringen und auf den nächsten Tag warten. Da es ihr bis jetzt nicht gelungen war, aus der Senke herauszufinden, konnte sie sich nur schwer vorstellen, wie es ihr mitten im Dunkeln gelingen sollte.
    Plötzlich hörte sie ein lautes Gezeter und sah, wie sich die Zweige über ihr bogen. Eine Horde Affen erschien. Sie schaukelten auf den Bäumen und machten es sich nacheinander darin bequem, um die Früchte zu genießen. Eva stellte fest, dass es nicht die Äffchen mit den bleichen Gesichtern und den flinken, zierlichen Körpern waren, die ihr auf den Erkundungsgängen mit Adam begegneten und sie an Spinnen erinnerten, vielleicht wegen der Bewegungen, die sie beim Schaukeln machten. Diese hier waren groß, mit kräftigen Armen und Schultern. Sie sah ihre glänzenden Augen, die sie ebenfalls aufmerksam musterten.
    Seltsam, dachte sie. Sie konnte sich nicht entsinnen, solche Tiere im Garten gesehen zu haben.
    Nach anhaltendem, kreischenden Gezänk einigten sie sich und näherten sich ihr einer nach dem anderen. Die Mutigsten kletterten vom Baum herunter und umringten sie schweigsam. Bisweilen stieß einer von ihnen schrille Rufe aus. Eva war beeindruckt von den ausdrucksvollen, beinah menschlichen Gesichtern und den sanften Augen, die sie voller Neugier betrachteten. Niemals hatte sie sich von einem Tier auf diese Weise gesehen gefühlt. Einer der Affen, der größte und der mit der meisten

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