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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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aber was hätten wir davon? Sie müssen sich über das Interface mit dem Leitstand verbinden.«
    »Nicht alles – nur so viel, dass das Drecksding nicht mehr durch die Gegend rasen kann.«
    Eine kurze Pause trat ein. Vermutlich rief sich Volyova die alten Schaltpläne in Erinnerung, dachte Khouri. Die Frau hatte den Leitstand selbst geplant – aber das mochte vor vielen Jahrzehnten subjektiver Zeit gewesen sein, und seitdem war es wohl nicht nötig gewesen, eine so primitive Einrichtung wie die Stromversorgung zu modernisieren.
    »Schön«, sagte Volyova endlich. »Es gibt hier eine Hauptleitung – die könnte ich vermutlich kappen…«
    Sie verschwand rasch aus Khouris Blickfeld. Es hörte sich ganz einfach an: die Hauptleitung kappen. Aber vielleicht brauchte Volyova dazu einen Spezialschneider, den sie erst holen musste. Und dafür war sicher nicht genug Zeit. Nein; Volyova hatte ein Werkzeug. Den kleinen Laser, mit dem sie Proben von Captain Brannigan zu nehmen pflegte, trug sie immer bei sich. Qualvolle Sekunden vergingen. Im Geiste sah Khouri vor sich, wie sich das Geschütz langsam durch den Schiffsrumpf ins All hinaus schob. Jetzt peilte es sein Ziel an – Resurgam – und ging auf volle Leistung, um ihm den gravitationellen Todesstoß zu versetzen.
    Über ihr verstummte das Kreischen.
    Alles war still, das Licht schwankte nicht mehr. Der Sitz hing reglos wie ein Thron in seinem elegant geschwungenen Käfig. Die schmalen Kardanringe aus Metall wirkten schärfer als zuvor. Rasch duckte sie sich durch die Zuleitungen und schlüpfte zwischen den Ringen durch. Der Sitz stand immer noch still, aber je näher sie kam, desto weniger Spielraum bliebe ihr, sollte er sich wieder in Bewegung setzen. Wenn es jetzt passierte, dachte sie, hätten die Wände im Handumdrehen ein rotes Muster aus klebrigem, langsam gerinnendem Blut.
    Und dann saß sie drin und schnallte sich an. Sobald die Schließe einrastete, schoss der Sitz winselnd nach vorne. Er rollte an den Kardanringen vor und zurück und schleuderte sie kopfüber nach unten und zur Seite, bis sie jede Orientierung verlor. Alles vollzog sich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Bei jeder scharfen Wendung traten Khouri die Augen aus den Höhlen – dennoch waren die Bewegungen etwas gemäßigter als zuvor.
    Sie will mir Angst einjagen, dachte Khouri, aber sie will mich nicht töten… noch nicht.
    »Wagen Sie es nicht, die Verbindung herzustellen«, warnte die Mademoiselle.
    »Weil ich damit Ihren schönen Plan durchkreuzen könnte?«
    »Keineswegs. Darf ich Sie an Sonnendieb erinnern? Er lauert dort drin.«
    Der Sitz bockte noch immer, aber nicht mehr ganz so wild. Khouri konnte wieder klar denken.
    »Vielleicht existiert er gar nicht«, bemerkte sie in Gedanken. »Vielleicht haben Sie ihn nur erfunden, um mich besser unter Druck setzen zu können.«
    »Dann machen Sie doch weiter.«
    Khouri ließ den Helm herunter. Sobald sie ihn über dem Kopf hatte, nahm sie die rasende Drehung des Raumes nicht mehr wahr. Sie legte die Hand auf den Interface-Schalter. Ein leichter Druck, und die Verbindung wäre hergestellt; sobald sich der Schaltkreis schloss, würde ihre Psyche von der abstrakten militärischen Datensphäre namens Waffenraum eingesaugt.
    »Sie schaffen es nicht, wie? Weil Sie mir nämlich glauben. Wenn Sie die Verbindung hergestellt haben, gibt es kein Zurück mehr.«
    Khouri verstärkte den Druck und spürte ein leichtes Nachgeben, als sich der Kreis zu schließen drohte. Dann hatte sie – mit einer unbewussten neuro-muskulären Zuckung oder weil etwas in ihr einsah, dass es getan werden musste – die Verbindung hergestellt. Der Leitstand nahm sie in sich auf wie in tausend taktischen Simulationen zuvor. Zuerst kam die räumliche Verschmelzung: sie nahm ihren eigenen Körper nur noch undeutlich wahr, das Lichtschiff und seine unmittelbare Umgebung traten an seine Stelle, dann vermittelten ihr eine Reihe von hierarchischen Overlays, die ständig aktualisiert, überprüft und mit hektischen Simulationen in Realzeit extrapoliert wurden, die taktisch/strategische Situation.
    Die Assimilation war vollkommen.
    Das Geschütz hatte mehrere hundert Meter vom Schiffsrumpf entfernt Stellung bezogen. Seine Spitze zeigte in die Flugrichtung, genau auf Resurgam – wobei es, wie Khouri wusste, auch die winzigen relativistischen Lichtbeugungsverzerrungen berücksichtigte, die bei ihrer mäßigen Geschwindigkeit entstanden. Neben der Außenluke, durch die das Geschütz

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