Unendlichkeit
kniffen die Augen zusammen.
»Wo ist es?«, fragte Khouri.
»Warten Sie«, sagte Volyova. »Ich muss mich erst orientieren.«
»Ich sehe nichts, was sich bewegt.«
»Ich auch nicht… noch nicht.«
Volyova drückte sich flach gegen die Glaswand des Fahrstuhls und spähte vorsichtig an einer Ecke des größten Geschützes vorbei. Sie fluchte inbrünstig, dann ließ sie den Fahrstuhl mit einem Fluch um weitere zwanzig oder dreißig Meter nach unten sinken und gab den Befehl, das pulsierende rote Licht und die Innensirene abzuschalten.
»Schauen Sie«, sagte Khouri, als halbwegs Ruhe eingekehrt war. »Ist es vielleicht das dort?«
»Wo?«
Sie zeigte fast senkrecht nach unten. Volyova kniff die Augen zusammen, dann sprach sie wieder in ihr Armband. »Zusatzbeleuchtung – Geschützpark Quadrant fünf.« Und zu Khouri: »Mal sehen, was das Svinoi vorhat.«
»Das war nicht wirklich ernst gemeint, oder?«
»Was?«
»Das mit der Störung in den Überwachungssystemen.«
»Eigentlich nicht«, gab Volyova zu und kniff die Augen noch fester zusammen, als die Zusatzscheinwerfer angingen und einen Teil des Raumes weit unter ihren Füßen anstrahlten. »So etwas nennt man Optimismus – aber ich verlerne es ziemlich schnell.«
Das fragliche Geschütz, sagte Volyova, sei einer von den Planetenkillern. Sie wusste nicht genau, wie es funktionierte, und erst recht nicht, wozu es fähig war. Aber sie hatte gewisse Vermutungen. Sie hatte seine Zerstörungswirkung Jahre zuvor auf der untersten Stufe getestet… an einem kleinen Mond. Wenn man extrapolierte – und das konnte sie ganz ausgezeichnet –, wäre es für die Waffe kein Problem, selbst aus Hunderten von AE Entfernung einen Planeten zu zerlegen. Im Innern befanden sich ein Gebilde mit der Gravitationssignatur eines schwarzen Loches, das aber unbegreiflicherweise nicht verdampfen wollte. Irgendwie ließ die Waffe ein Soliton – eine stehende Welle – in der geodätischen Struktur der Raumzeit entstehen.
Diese Waffe war jetzt ohne Volyovas Zutun zum Leben erwacht und glitt auf dem Schienennetz, das sie irgendwann ins All befördern würde, durch den Raum wie ein Wolkenkratzer durch eine Stadt.
»Können wir nichts tun?«
»Ich bin für Vorschläge offen. Was hatten Sie sich denn vorgestellt?«
»Sie müssen bedenken, dass ich mich nicht seit Jahren mit dem Problem beschäftige…«
»Heraus damit, Khouri.«
»Wir könnten versuchen, das Ding aufzuhalten.« Khouri hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt, als hätte sie neben allem anderen noch mit einem plötzlichen Migräneanfall zu kämpfen. »Auf dem Schiff gibt es doch Shuttles, oder?«
»Schon, aber…«
»Dann blockieren Sie mit einem davon den Ausgang. Oder ist Ihnen das zu primitiv?«
»Den Ausdruck ›zu primitiv‹ habe ich vorerst aus meinem Wortschatz gestrichen.« Volyova warf einen Blick auf ihr Armband. Währenddessen glitt das Geschütz an der Wand entlang wie eine gepanzerte Schnecke auf ihrer Schleimspur. Am anderen Ende öffnete sich eine riesige Irisblende; die Schienen führten durch die Öffnung in einen dunklen Raum darunter. Das Geschütz war fast auf gleicher Höhe mit dem Ausgang. »Ich könnte eins von den Shuttles herzitieren… aber es dauert zu lange, bis es das Schiff verlassen kann. Ich glaube nicht, dass wir rechtzeitig…«
»Tun Sie’s!«, sagte Khouri. Jeder Muskel in ihrem Gesicht war zum Zerreißen gespannt. »Wenn Sie noch lange herumscheißen, ist selbst diese Chance vertan!«
Volyova nickte und warf ihrem Waffenoffizier einen argwöhnischen Blick zu. Wieso wusste Khouri so gut Bescheid? Sie wirkte weniger verstört als Volyova, zugleich war sie sehr viel aufgeregter, als man erwartet hätte. Aber sie hatte Recht; die Idee mit dem Shuttle war einen Versuch wert, auch wenn sie wahrscheinlich keinen Erfolg haben würde.
Volyova rief die Unterpersönlichkeit der Shuttle-Steuerung auf. »Wir brauchen noch etwas anderes«, sagte sie.
Das Geschütz hatte die Irisblende bereits zur Hälfte passiert und war auf dem Weg in den zweiten Raum.
»Noch etwas?«
»Falls das nicht funktioniert. Das Problem liegt im Leitstand, Khouri – und vielleicht sollten wir es von dort aus angehen.«
Khouri erbleichte. »Was?«
»Ich möchte Sie im Sitz haben.«
Während sie mit so hoher Beschleunigung auf den Feuerleitstand zurasten, dass der Fußboden zur Decke wurde – und Khouri das Gefühl hatte, als habe sich auch ihr Magen umgedreht – flüsterte Volyova hektisch und atemlos
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