Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
ein azurblauer Himmel mit weißen Wolken, zwischen die sich schmutzige Qualmstreifen mischten, als spritze ein weltumspannender Oktopus seine Tinte in die Stratosphäre. Zahlreiche Düsenflugzeuge mit gepfeilten Flügeln erzeugten die Kondensstreifen und tauchten unter ihnen hindurch. Weiter unten schwebten Drohnenluftschiffe und noch tiefer jagten bullige Transporthubschrauber mit Kippflügeln und Tandemfahrwerk am Rand des Lagers entlang. Sie gingen gelegentlich zu Boden, um Schützenpanzer oder Fußtruppen, Krankenwagen oder gepanzerte Servomaten auszuspucken. Vor einer Seite des Lagers erstreckte sich ein verbrannter Grasstreifen, das Vorfeld. Dort standen sechs fensterlose Deltaflügler, Senkrechtstarter mit ausgefahrenen Kufen, die ihre Farbe exakt dem sonnengebleichten Boden angepasst hatten. Ihre Irisblenden waren zur Inspektion geöffnet.
    Khouri stolperte und fiel ins Gras. Sie trug einen Chamäleo-Anzug, der zurzeit in verschiedenen Khakitönen gefleckt war. In den Händen hielt sie eine leichte Projektilwaffe. Der Metallgriff schmiegte sich wie selbstverständlich gegen ihre Handflächen. Auf dem Kopf hatte sie einen Helm, von dessen Rand ein 2-D-Monokel hing. Es zeigte eine Falschfarbenkarte der Kampfzone, die nach den Telemetriedaten von einem der Luftschiffe erstellt wurde.
    »Hier entlang, bitte.«
    Ein Weißhelm führte sie in eines der Zelte. Drinnen nahm ihr eine Ordonnanz die Waffe ab, kennzeichnete sie mit einem Ident-Chip und stellte sie zu acht anderen – von Projektilwaffen wie ihrer eigenen über Schießprügel mittlerer Leistung bis zu einer verheerenden Schulterwaffe, die mit beschleunigten Antimaterie-Impulsen arbeitete und besser erst eingesetzt wurde, wenn sich der Gegner nicht mehr auf dem gleichen Kontinent befand – in einen Ständer. Die Luftschiffdaten wurden unscharf und erloschen. Das Überwachungsschutzfeld um das Zelt hatte sie gelöscht. Khouri hob die frei gewordene Hand, warf das Monokel über den Helmrand nach hinten und strich sich mit der gleichen Bewegung eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Hier herein, Khouri.«
    Man führte sie vorbei an Stockbetten, Verletzten und leise summenden Sanitäts-Servomaten, die wie grüne Schwäne ihre langen Hälse über die Patienten reckten, in einen abgeteilten Bereich an der Rückseite des Zelts. Draußen war das schrille Pfeifen von Düsenjägern zu hören, dann eine Reihe von Einschlägen, aber im Zelt nahm davon niemand Notiz.
    Endlich stand sie in einem kleinen, quadratischen Raum mit einem einzigen Schreibtisch. An den Wänden hingen die transnationalen Fahnen der Nord-Koalition, und in einer Ecke des Schreibtischs stand auf einem Bronzesockel ein großer Globus von Sky’s Edge. Der Globus war auf geografische Darstellung geschaltet und zeigte nur die vielfältigen Landmassen und Geländetypen des Planeten, nicht die heiß umkämpften politischen Grenzen. Aber Khouri streifte ihn lediglich mit einem flüchtigen Blick, denn der Mann hinter dem Schreibtisch nahm ihre Aufmerksamkeit sofort gefangen. Er trug Paradeuniform: einen olivgrünen, zweireihig geknöpften Waffenrock mit goldenen Schulterstücken und einer beeindruckenden Kollektion von Orden und Medaillen der Nord-Koalition auf der Brust. Das glänzend schwarze Haar war glatt nach hinten gekämmt.
    »Es tut mir Leid«, sagte Fazil, »dass es so kommen musste. Aber nachdem du jetzt hier bist…« Er streckte die Hand aus. »Nimm doch Platz; wir müssen miteinander reden. Ziemlich dringend sogar.«
    In Khouri regte sich eine schwache Erinnerung. Sie sah einen Raum vor sich, einen Raum mit Metallwänden und einem Sitz. Die Erinnerung machte sie nervös – so als wäre jede Sekunde kostbar. Aber verglichen mit der Gegenwart, mit diesem Zelt mutete sie unwirklich an. Fazil schlug sie völlig in seinen Bann. Er sah noch fast genauso aus wie damals (Wo sollte das gewesen sein?), nur war seine Wange von einer Narbe gezeichnet, die ihr unbekannt war, und er hatte sich einen Schnurrbart zugelegt. Zumindest (sie war nicht ganz sicher) hatte er den Bart, den er bei ihrer letzten Begegnung getragen hatte, irgendwie verändert; entweder trug er ihn jetzt dichter, oder er hatte die schwarzen Borsten so lang wachsen lassen, bis sich zu beiden Seiten seiner Oberlippe die ersten Ansätze verwegener Spitzen zeigten.
    Sie folgte seiner Aufforderung und setzte sich auf einen Klappstuhl.
    »Sie – die Mademoiselle – hatte schon befürchtet, dass dieser Fall eintreten

Weitere Kostenlose Bücher