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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Jahren unfreiwilliger Abstinenz so gut wie keinen Alkohol mehr vertrug. In diesem Fall war das allerdings ein Vorteil, denn es ermöglichte ihm, die Außenwelt schneller zu vergessen. Die Stimmen in seinem Innern brachte der Wodka freilich nicht zum Verstummen, durch den Rückzug entstanden vielmehr leere Räume, in denen sie noch drängender widerhallten. Besonders eine Stimme übertönte alle anderen, die Stimme nämlich, die zu wagen fragte, was er denn eigentlich auf Cerberus zu finden hoffe und was er als objektiv sinnvoll erachten würde. Auf diese Frage hatte er keine Antwort. Es war, als steige man im Dunkeln eine Treppe hinunter und verzähle sich bei den Stufen; man erwartete Boden unter den Füßen und war zu Tode erschrocken, wenn man ins Leere trat.
    Wie ein Schamane, der mit geheimnisvollen Gesten Geister aus der Luft beschwor, erweckte Sylveste die Projektion des Sternensystems zum Leben. Die entoptische Karte zeigte schematisch den Weltraum im Umkreis von Hades mit der Cerberusbahn und – ganz am Rand – den anfliegenden Menschenschiffen, die jetzt von keinem Asteroiden mehr verdeckt wurden. Im geometrischen Zentrum glühte Hades so giftig rot wie ein Abszess. Der kleine Neutronenstern maß nur wenige Kilometer im Durchmesser, doch er beherrschte die ganze Umgebung; dem Sog seines Schwerkraftfeldes konnte nichts entrinnen.
    Objekte mit einem Abstand von zweihundertzwanzig-tausend Kilometern umkreisten Hades zwei Mal in der Stunde. Seit sie Alicias Bericht genauer analysiert hatten, wussten sie, dass etwa in dieser Entfernung eine weitere Sonde zerstört worden war, deshalb begrenzte Sylveste den Bereich mit einer roten Todeslinie. Cerberus hatte die Sonde abgeschossen. Die kleine Welt schien Hades’ Geheimnisse ebenso eifersüchtig bewahren zu wollen wie ihre eigene Existenz. Ein weiteres Rätsel – was hatte dieses Verhalten für einen Sinn? Sylveste hatte vergebens nach einer Antwort gesucht. Doch eines hatte er daraus gelernt: hier gab es keine Berechenbarkeit und keine Logik. Wenn er sich diese beiden Erkenntnisse vor Augen hielt, hatte er vielleicht eine Chance, wo die dummen Maschinen – und seine Ex-Frau – gescheitert waren.
    Cerberus zog seine Bahnen weiter draußen. Neunhunderttausend Kilometer von Hades entfernt, raste der Planet alle vier Stunden und sechs Minuten einmal um den Stern herum. Sylveste hatte diesen Orbit in kühlem Smaragdgrün eingezeichnet – er erschien ihm sicher, jedenfalls so lange, wie man Cerberus selbst nicht zu nahe kam.
    Volyovas Waffe – die ehemalige Lorean – war nun aus eigener Kraft in einen tieferen Orbit gegangen; bisher hatte Cerberus noch keine Reaktion gezeigt. Aber Sylveste zweifelte nicht daran, dass irgendetwas da unten ihr Kommen registriert hatte, die wartende Waffe im Auge behielt und nur darauf lauerte, was als Nächstes geschah.
    Er kontrahierte die Projektion so weit, bis das Lichtschiff gut im Bild war. Es war zwei Millionen Kilometer – nicht mehr als sechs Lichtsekunden – vom Neutronenstern entfernt und damit in Reichweite von Energiewaffen, die allerdings sehr leistungsfähig sein müssten: sie bräuchten allein schon Zielsuchgeräte mit einem Kilometer Durchmesser, um das Schiff zu erfassen. Explosivgeschosse waren auf diese Distanz nicht zu fürchten. Allenfalls wäre ein Überfall durch einen Schwarm von relativistischen Waffen denkbar, aber auch damit war nicht zu rechnen – wie das Beispiel der Lorean zeigte, schlug der Planet lieber rasch und präzise zu, als ein riesiges Feuerwerk zu veranstalten und damit die sorgfältige Tarnung der Kruste zu zerstören.
    O ja, dachte er – alles genau zu berechnen. Und darin lag die Falle.
    »Dan«, sagte Pascale. Sie war aufgewacht. »Es ist schon spät. Du musst dich ausruhen, damit du morgen bei Kräften bist.«
    »Habe ich laut gesprochen?«
    »Wie ein richtiger Irrer.« Ihr Blick huschte nervös durch den Raum und blieb an der entoptischen Karte hängen. »Soll es denn tatsächlich geschehen? Es kommt mir alles so unwirklich vor.«
    »Sprichst du davon oder vom Captain?«
    »Vermutlich von beidem. Es ist ja nicht so, als könnte man sie noch trennen. Das eine hängt vom anderen ab.« Sie verstummte, und er erhob sich von seiner Matte, trat ans Bett und streichelte ihr Gesicht. Alte, tief vergrabene Erinnerungen, Heiligtümer aus den Jahren der Gefangenschaft auf Resurgam, stiegen empor. Pascale erwiderte seine Zärtlichkeiten, und Minuten später liebten sie sich mit der ganzen

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