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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Schiffsbereich betreten zu können, ohne Erfrierungen davonzutragen. Den Nadler steckte sie in ihren Gürtel und das schwere Gewehr, das Khouri ihr aus der Waffenkammer besorgt hatte, hängte sie sich um. Es war ein hyperschnelles Projektilgewehr, eine zweihändig zu bedienende Sportwaffe aus dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert, hergestellt in der ersten europanischen Demarchie. Der Kolben war mit schmiegsamem, schwarzem Neopren bezogen, die Seiten waren mit Einlegearbeiten aus Gold und Silber verziert, Darstellungen von chinesischen Drachen mit Rubinaugen. »Nichts dagegen«, sagte sie.
 
    Sie erreichten die Luftschleuse, wo Hegazi die ganze Zeit gesessen und mangels anderer Beschäftigung sein Spiegelbild in den blanken Stahlwänden betrachtet hatte. Das dachte jedenfalls Volyova, wenn sie, selten genug, überhaupt an den eingesperrten Triumvir dachte. Sie spürte keinen Hass auf Hegazi, sie fand ihn nicht einmal ausgesprochen unsympathisch. Er war einfach ein Schwächling, der nur in Sajakis Schatten leben konnte. – »Hat er Schwierigkeiten gemacht?«, fragte Volyova.
    »Eigentlich nicht. Er beteuerte nur immer wieder seine Unschuld und schwor, nicht er habe Sonnendieb aus dem Leitstand gelassen. Klang so, als meinte er es ehrlich.«
    »Eine uralte Technik, wird auch Lüge genannt, Khouri.«
    Volyova schulterte das Drachengewehr, suchte mit beiden Füßen einen festen Stand im Matsch und legte die Fäuste auf den Griff der inneren Schleusentür.
    Dann drückte sie fest nach unten.
    »Ich kriege sie nicht auf.«
    »Lass mich mal ran.« Khouri schob sie beiseite und rüttelte am Türgriff. »Nein«, ächzte sie schließlich und gab auf. »Er hat sich verklemmt. Ich kann ihn nicht bewegen.«
    »Du hast ihn doch nicht etwa zugeschweißt?«
    »Natürlich, ich Dummkopf, wie konnte ich das nur vergessen?«
    Volyova klopfte an die Tür. »Hegazi, hören Sie mich? Was haben Sie mit der Tür gemacht? Sie geht nicht auf.«
    Keine Antwort.
    Volyova schaute wieder auf ihr Armband. »Er ist da drin«, sagte sie. »Aber vielleicht kann er uns durch die Panzerung nicht hören.«
    »Da stimmt etwas nicht«, sagte Khouri. »Als ich wegging, war mit der Tür noch alles in Ordnung. Wir sollten das Schloss aufschießen.« Ohne Volyovas Einwilligung abzuwarten, rief sie: »Hegazi? Hören Sie uns? Wir schießen uns jetzt den Weg frei.«
    Schon hatte sie das Plasmagewehr in einer Hand. Ihre Armmuskeln spannten sich unter seinem Gewicht. Sie drehte den Kopf zur Seite und hielt sich die andere Hand vor das Gesicht.
    »Warte«, sagte Volyova. »Nichts überstürzen. Vielleicht ist die äußere Tür offen. Dann würden die Drucksensoren auf das Vakuum ansprechen und die innere Tür nicht freigeben.«
    »In diesem Fall hätten wir mit Hegazi keine Schwierigkeiten mehr. Es sei denn, er könnte ein paar Stunden lang die Luft anhalten.«
    »Zugegeben – aber wir sollten trotzdem kein Loch in die Tür schießen.«
    Khouri trat näher.
    Wenn es eine Anzeige für den Druck im Inneren der Schleuse gab, so war sie unter der Schmutzschicht nicht zu erkennen.
    »Ich kann den Strahl ganz dünn einstellen. Dann bekommt die Tür nur ein nadelfeines Loch.«
    Volyova überlegte kurz, dann sagte sie: »Tu das!«
    »Wir ändern den Plan, Hegazi. Wir machen ganz oben in die Tür ein Loch. Sollten Sie stehen, dann würde ich Ihnen raten, sich hinzusetzen und sich Gedanken über die Regelung Ihres Nachlasses zu machen.«
    Immer noch keine Antwort.
    Was Khouri mit dem Plasmagewehr vorhatte, war fast eine Beleidigung, dachte Volyova. Es war schließlich kein Präzisionsinstrument. Ebenso gut könnte man versuchen, mit einem Industrielaser eine Hochzeitstorte zu schneiden. Aber Khouri probierte es trotzdem. Ein Blitz, ein Krachen, das Gewehr spie einen dünnen, langgezogenen Lichtstrahl gegen die Tür. Ein Loch von Holzwurmgröße war entstanden, aus dem ein Rauchfaden aufstieg.
    Aber nur für einen Moment.
    Dann spritzte in hohem Bogen und mit lautem Zischen eine schwarze Flüssigkeit aus der Öffnung. Khouri vergrößerte unverzüglich das Loch, obwohl weder sie noch Volyova damit rechneten, dass in der Luftschleuse noch jemand am Leben war. Entweder war Hegazi tot – wodurch auch immer –, oder er hatte die Schleuse verlassen und dieser Hochdruckstrahl war eine letzte mysteriöse Botschaft an die, die ihn gefangen genommen hatten.
    Khouri schoss weiter und der Strahl wurde armdick. Die trübe Flüssigkeit spritzte ihr mit solcher Wucht entgegen, dass sie

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