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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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aber schließlich hatten sie diese Maßnahme auch noch nie erwogen.
    »Ilia, bitte.«
    »Hören Sie zu, Svinoi«, sagte sie barsch. »Vielleicht funktioniert es ja, vielleicht auch nicht. Aber wenn ich Ihnen jemals Loyalität bewiesen habe – wenn Sie sich überhaupt noch an mich erinnern –, dann verlange ich dafür nur eines: tun Sie für uns, was Sie können.«
    Sie wollte schießen; wollte die Nadlergeschosse in den Tank jagen, doch sie zögerte noch.
    »Eins muss ich Ihnen doch noch sagen. Ich glaube zu wissen, wer, zum Teufel, Sie sind, oder vielmehr, wer, zum Teufel, Sie geworden sind.«
    Sie spürte deutlich, wie ihr der Mund trocken wurde. Sie wusste, dass sie kostbare Zeit verschwendete, aber etwas drängte sie fortzufahren.
    »Was haben Sie mir zu sagen?«
    »Sie sind mit Sajaki zu den Musterschiebern gereist, nicht wahr? Ich weiß es. Es wurde an Bord oft genug erwähnt – sogar von Sajaki selbst. Aber niemand hat je erzählt, was dort geschehen ist: was die Schieber mit Ihnen beiden angestellt haben. Oh, ich weiß, es gab Gerüchte – aber mehr auch nicht; sie waren von Sajaki lanciert, um mich von der Fährte abzubringen.«
    »Nichts ist geschehen.«
    »Nein; nur eines. Sie haben Sajaki schon damals getötet, vor all den Jahren.«
    Seine Antwort klang belustigt, als habe er sie missverstanden. »Ich soll Sajaki getötet haben?«
    »Die Schieber haben das für Sie erledigt; Sie haben sie beauftragt, seine Neuralstrukturen zu löschen und seinem Bewusstsein Ihre Strukturen aufzuprägen. Damit wurden Sie zu ihm.«
    Sie war fast fertig, aber sie holte noch einmal tief Luft.
    »Sie hatten mit einer Existenz nicht genug – und vielleicht ahnten Sie schon damals, dass Ihr Körper nicht mehr lange durchhalten würde; zu viele Viren waren in ihm. Also bemächtigten Sie sich Ihres Adjutanten. Die Schieber taten, was Sie von ihnen verlangten, weil sie uns so fremd sind, dass sie mit dem Begriff Mord nichts anzufangen wussten. So war es doch, nicht wahr?«
    »Nein…«
    »Schweigen Sie. Deshalb wollte Sajaki nicht, dass Sie geheilt würden – er war ja bereits Sie und brauchte keine Heilung. Und deshalb konnte Sajaki auch mein Gegenmittel abschwächen – weil er über Ihre Fachkenntnisse verfügte. Schon dafür sollte ich Sie umbringen, Svinoi – aber leider sind Sie schon tot, denn was von Sajaki noch übrig ist, klebt an den Wänden der Krankenstation.«
    »Sajaki – tot?« Er hatte offenbar nicht mitbekommen, was sie ihm über die Todesfälle erzählt hatte.
    »Ausgleichende Gerechtigkeit, finden Sie nicht? Jetzt sind Sie allein. Ganz auf sich gestellt. Sie können nur noch eines tun, um Ihre Existenz gegen Sonnendieb zu behaupten: Sie können wachsen. Der Seuche ihren Lauf lassen.«
    »Nein… bitte.«
    »Haben Sie Sajaki getötet, Captain?«
    »Das ist… so lange her…« Aber er leugnete nicht mehr so entschieden. Volyova jagte die Nadlergeschosse in den Tank und wartete, bis die wenigen Anzeigen auf der Außenhülle flackernd erloschen. Die Kälte ließ von Sekunde zu Sekunde nach, das Eis auf dem Tank begann feucht zu glänzen.
    »Ich gehe jetzt«, sagte sie. »Ich wollte nur die Wahrheit wissen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Captain.«
    Dann rannte sie davon, um nicht sehen zu müssen, was hinter ihr geschah.
 
    Sie schwebten in den Trichter und machten sich an den Abstieg. Sajakis Anzug blieb immer dicht vor Sylveste. Der Brückenkopf, ein umgedrehter Kegel, steckte zur Hälfte in der Kruste. Vor wenigen Minuten war er noch winzig klein gewesen, jetzt sah Sylveste nur noch ihn, die steilen, grauen Wände versperrten nach allen Seiten den Blick auf den Horizont. Gelegentlich erzitterten sie, dann wurde Sylveste wieder daran erinnert, dass der Brückenkopf immer noch gegen die Verteidigungsanlagen in der Kruste kämpfte und man sich besser nicht blind auf seinen Schutz verlassen sollte. Wenn er unterlag, würde er binnen weniger Stunden aufgezehrt; dann würde sich die Wunde in der Kruste schließen, und Sylveste wäre der Fluchtweg versperrt.
    »Reaktionsmasse muss ergänzt werden«, verkündete der Anzug.
    »Wie bitte?«
    Sajaki meldete sich zum ersten Mal, seit sie das Schiff verlassen hatten. »Wir haben auf dem Weg hierher viel Masse verbraucht, Dan. Wir müssen nachtanken, bevor wir uns auf feindliches Territorium begeben.«
    »Und wo?«
    »Sehen Sie sich um. Hier gibt es jede Menge Reaktionsmasse, die nur auf uns gewartet hat.«
    Natürlich. Nichts konnte sie hindern, dem Brückenkopf

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