Unerwartet (German Edition)
sein kann.“
„Würdest du für sie dort hinziehen?“
Jakob schiebt mir das letzte Stück Ananas in den Mund.
„Nein. Es ist einfach keine Option, weil nicht feststeht, ob Claudia, meine Exfrau, dauerhaft dableiben wird. Außerdem habe ich ein Leben hier. Ich vermisse meine Tochter und werde versuchen, zwei- oder dreimal im Jahr rüberzufliegen, aber ich hab sie gehen lassen, damit sie bei ihrer Mutter sein kann. Ich hätte auch vor Gericht ziehen können, um sie mit Gewalt hier zu halten. Doch wem hätte das etwas gebracht? Claudia wäre unglücklich gewesen, weil sie nicht bei ihrem neuen Mann sein kann, und hätte mich dafür gehasst. Eliana wird sehr geliebt und wir tun alles, damit sie mich nicht vergisst. Mehr kann ich in diesem Augenblick nicht erwarten.“
Schulterzuckend isst er die von mir verhassten Birnenstücke auf.
„Ich finde das sehr selbstlos. Du bist ein besserer Vater auf Entfernung, als viele, die mit ihren Kindern zusammenleben.“
Mein Kaffee ist inzwischen kalt, aber dafür geht es meinen Kopfschmerzen etwas besser.
„Ich will nur das Beste für meine Tochter. Und wenn man gerade drei Jahre alt wird, dann ist das Beste eine glückliche Mutter. Natürlich fände ich es schöner, wenn sie hier wäre und ich sie oft sehen könnte, aber manchmal geht es eben nicht um mich.“
„Warum bist du eigentlich hier hingezogen? Wo hast du vorher gewohnt?“
Wir können Stunden miteinander verbringen, ohne ein bedeutendes Wort zu wechseln, aber oft sind es diese Momente zwischen Tür und Angel, in denen wir uns das Meiste erzählen.
„Ich hatte vorher ein Haus im Stadtwald, aber nachdem Lia nicht mehr hier war, wurde es einfach zu groß für mich alleine. Obwohl es das Erbe meiner Großeltern war, hab ich es schweren Herzens verkauft. Diese Wohnung hier ist mehr als ausreichend für mich alleine und außerdem ist die Praxis ganz in der Nähe.“
„Und dann findest du auch noch gleich eine Nachbarin ohne Slip, die willig ist, sich von dir vernaschen zu lassen.“
„Das ist eine nette Zugabe, ja. Aber du bist mehr als nur das.“
Er zieht mich von meinem Stuhl hoch und in seine Arme.
„Was bin ich denn noch?“
„Etwas, das ich nur ungern für eine Woche zurücklasse und das ich schmerzlich vermissen werde.“
Ich hab nur einen Kuss als Antwort, denn ich habe Angst vor den Worten, die aus meinem Mund kommen könnten. Sie würden festlegen, was ich für ihn fühle und mich verletzlich machen.
Jakob drängt nicht auf eine Reaktion, hat aber einen Vorschlag.
„Darf ich morgen zu euch zum Abendessen kommen? Ich helfe dir auch beim Kochen oder wir bestellen etwas. Es ist der letzte Abend, bevor ich fliege, und ich würde gerne noch etwas Zeit mit dir verbringen.“
„Was ist mit Ben?“
Mein Bruder hat schon Freunde von mir kennengelernt, aber ich habe ihm noch längst nicht jeden Mann als meinen Partner vorgestellt. Es ist an der Zeit, aber Jakob muss sich darüber im Klaren sein, dass es dann nicht mehr unverbindlich ist.
„Ich würde ihn gerne näher kennenlernen. Wenn das für dich in Ordnung ist.“
Hoffnungsvoll sieht er zu mir hoch, während er mit meinem Zopf spielt.
„Dir ist bewusst, was das bedeutet?“
„Katharina“, seufzt er. „Ich hab dir gesagt, dass ich nicht an einer losen Affäre interessiert bin. Du hast mich umgehauen, als ich dich das erste Mal gesehen habe. Das mag jetzt nach Neandertaler klingen, aber ich will dich behalten. Mir ist in vollem Umfang bewusst, dass Ben mit zum Paket gehört.“
„Ihm fehlt so dringend ein männliches Vorbild und es kann passieren, dass er sich sehr an dich klammert. Ich will ihm nicht wehtun, wenn das nicht funktioniert.“
„Ich wäre stolz, wenn ich derjenige wäre, an dem er sich misst. Katharina, ich bin mir der Verantwortung durchaus bewusst. Wenn es so sein sollte, dass es zwischen uns nicht funktioniert, was ich übrigens bezweifle, dann bin ich absolut bereit, für ihn immer noch ein Freund zu sein. Wir sind Nachbarn. Ich kann dir nicht so einfach weglaufen und ich habe es auch nicht vor.“
Mir sind die Argumente ausgegangen, also verabreden wir ein gemeinsames Abendessen, um Ben langsam daran zu gewöhnen, dass ich jetzt eine Beziehung habe. Doch wer gewöhnt mich daran?
11.
Es ist genau, wie ich es vermutet und befürchtet habe. Ben und Jakob verstehen sich prächtig.
Eigentlich freue ich mich und natürlich habe ich dem Ganzen zugestimmt, dennoch kann ich den bitteren Beigeschmack nicht
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