Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte
zerstörten den Kassettenrekorder, mit dem wir unsere Lieder abspielten, und verjagten uns mit ihren Knüppeln. Wie Chomeini angekündigt hatte, fanden später tatsächlich Wahlen statt. Doch nicht jeder durfte kandidieren, sondern nur diejenigen, die ihm uneingeschränkte Treue schworen. Schließlich vergingen keine drei Monate, bis sich die Gefängnisse, die kurz zuvor geöffnet worden waren, wieder mit neuen politischen Inhaftierten füllten.
Der Schah hatte zu seiner Zeit in ganz Teheran geheime Räume für den Zweck eingerichtet, Menschen zum Reden zu bringen. Nach der Revolution wurden sie alle zugänglich gemacht und jeder konnte sehen, was für schreckliche Sachen dort passiert waren. Ich habe selbst ein solches Versteck besucht. Batscheha , ihr könnt euch nicht vorstellen, wie der Raum aussah: Die Wände waren blutverschmiert und es gab dort Geräte, die man normalerweise bei Operationen einsetzt.
Chomeini ließ diese Räume wieder einrichten und benutzte sie nun für seine eigenen Zwecke. Sein Machtstreben schien grenzenlos und er überließ nichts dem Zufall. Mit der sogenannten Kulturrevolution begann er, das Land zu islamisieren. Und nicht einmal Universitäten waren von diesen Umwälzungen ausgenommen. Unter dem Slogan ›Universitäten sind gefährlicher als Handgranaten‹ wurden sie den islamischen Regeln angepasst. Es fand eine Neuordnung statt, die nicht nur die Inhalte betraf. So wurde der Kontakt zwischen männlichen und weiblichen Studenten streng kontrolliert, und Frauen durften ab sofort etwa keine Tiermedizin studieren oder die Laufbahn eines Richters einschlagen, da es für sie ›unsittlich‹ sei. Insgesamt brach für Frauen ein neues Zeitalter an – doch nicht, wie versprochen, eins der neuen Freiheiten und Rechte, sondern der neuen Verbote: Sie mussten sich in der Öffentlichkeit verhüllen und wurden per Gesetz den Männern untergeordnet. Ihren Vätern, den Brüdern oder den Ehemännern mussten sie bedingungslos gehorchen. Sie durften von nun an nicht mehr allein reisen, ohne Erlaubnis arbeiten oder sich ohne Zustimmung des Mannes scheiden lassen.
Die Sittenwächter kontrollierten strengstens die Einhaltung der islamischen Vorschriften. Bei Verstößen kam es neben Geldbußen auch zu Inhaftierungen. Aber sie schreckten auch nicht davor zurück, die Ungehorsamen mit Peitschenhieben zu bestrafen oder sogar Frauen, die zu sehr geschminkt waren, Säure ins Gesicht zu spritzen.
Bald kam es aber noch schlimmer: Es brach ein langer und blutiger Krieg gegen das Nachbarland Irak aus. Der zuvor vom Westen aufgerüstete Irak nutzte nämlich die Schwäche des Landes nach der Revolution und marschierte ein. Der Iran, dessen Militär durch die Säuberungen geschwächt war und nicht wie zu Schah-Zeiten von den USA mit Waffen unterstützt wurde, setzte nun Massen von Freiwilligen ein. Auf den Schlachtfeldern kamen nicht nur Abertausende junge und alte Männer um, sondern auch Kinder in eurem Alter.
Unser ganzes Leben wurde fortan vom Krieg bestimmt. Die ständigen Luftangriffe, die alltägliche Not und Knappheit waren unerträglich. Bereits vor dem Sonnenaufgang musste man sich in die Schlange stellen, um mit Coupons irgendetwas zu essen zu ergattern. Dazu kam außerdem die Angst vor dem eigenen Regime. Chomeini nutzte nämlich den Krieg, um im Innern noch härter gegen seine Gegner vorzugehen. In dessen Namen erklärte er alle Oppositionellen zu Feinden des Landes. Als er schließlich jegliche Demonstrationen verbot und die Volksmudschaheddin für illegal erklärte, kam es zu einem der größten Proteste dieser Zeit. Er sollte als der »blutige 30. Khordad « in die Geschichte Irans eingehen. Viele Anhänger der Volksmudschaheddin bewaffneten sich mit Ketten, Messern und Schlagringen, errichteten Barrikaden und zündeten Autos an. Die Reaktion der Regimeanhänger war heftiger: Sie erschossen in großer Zahl Menschen auf den Straßen und verhafteten Unzählige. Viele Insassen wurden später hingerichtet und eilig in Massengräbern verscharrt, um sie schnellstmöglich in Vergessenheit zu bringen. Traurigerweise blieb damit der Friedhof Beheschte Zahra auch nach dem Sturz des Schahs ein viel besuchter Ort.
An jenem Tag wurde auch Mostafa verhaftet. Wahrscheinlich hatte er schon unter Beobachtung gestanden und man sah es als eine gute Gelegenheit, ihn festzunehmen. Er wusste gut über die Organisation der Volksmudschaheddin Bescheid und sollte reden. Man führte ihn einem Richter vor, von dem es
Weitere Kostenlose Bücher