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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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Becher Milch, einige zerschnitten das frische Gemüse und andere standen mit ihren Töpfen vor dem Herd. Ich wäre so froh gewesen, wenn ich auch etwas zu tun gehabt hätte. Eigentlich fühlte ich mich in der Küche sicher. Seit meiner Kindheit musste ich beim Geschirrspülen und Kochen helfen. Gerne hätte ich den anderen gezeigt, dass ich etwas konnte. Stattdessen standen wir die ganze Stunde am Arbeitstisch und schauten zu.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit, kurz vor der Pause, kam die Lehrerin nochmal zu uns. Jetzt redete sie besonders langsam, betonte einige Wörter und benutzte ihre Hände zum Gestikulieren. Vermutlich ging es um eine Hausaufgabe oder was wir zur nächsten Stunde mitbringen sollten. Aber es war sinnlos. Irgendwann, als mir der Kopf schon schwirrte, gab ich auf und nickte einfach.
    Endlich klingelte es und wir flüchteten aus dem Klassenraum. »Wir bringen morgen was zum Kochen mit«, sagte Mojtaba zu mir.
    »Und was?«, fragte ich ihn.
    »Irgendetwas, das in Deutschland gern gegessen wird.«
    Als wir am nächsten Tag ein Glas Frankfurter Würstchen auspackten, ging ein Kichern durch die Reihen. Der Klassenrüpel zeigte mit dem Finger auf uns und sagte etwas, woraufhin alle in schallendes Gelächter ausbrachen. Ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst. Doch erst nachdem die anderen ihre Lebensmittel ausgepackt hatten, begriffen wir: Es sollte ein gemeinsames Gericht geben und jedem war eine bestimmte Zutat aufgetragen worden. Während die anderen also zusammen an den Töpfen standen, schnippelten, rührten und schließlich gemeinsam aßen, saßen Mojtaba und ich vor einem Topf mit heißem Wasser. Es gab arme Würstchen.
    MILAD Es war gerade Pause und ich stand auf dem Schulhof. Um mich herum war es sehr laut. Links von mir hörte ich jemanden laufen, rechts lachten zwei Mädchen, woanders riefen Jungs wild durcheinander, doch ich ließ mich nicht von meinem Ziel ablenken: die große ausrangierte Tafel in der Ecke des Schulhofs.
    Plötzlich knallte ein Fußball gegen die Tafel, gefolgt von Freudengeschrei. Ich war nicht überrascht, denn ich wusste, dass sie von der Fußballclique als Tor benutzt wurde. Den Schützen konnte ich nicht erkennen, weil ich meine Hände wie Scheuklappen ans Gesicht hielt, sodass ich nur noch einen kleinen Ausschnitt von dem Pausentrubel sah. Das Ziel meines Spiels war es, möglichst ohne Zusammenstöße einen bestimmten Punkt auf dem Hof zu erreichen. Diesmal hatte ich mir die Tafel vorgenommen.
    Immer wieder durchquerten Leute mein Blickfeld. Ich durfte nicht übermutig werden und Fehler machen. Als einige Sekunden lang keine Geräusche neben mir zu hören waren, glaubte ich, dass die Luft rein war. Ich setzte mich in Bewegung: Schritt für Schritt kam ich der Tafel näher. Doch nach einigen Metern hörte ich sehr schnelle Schritte. Ich bremste abrupt, gerade noch rechtzeitig, denn ein rotes T-Shirt und braune Haare rasten an meinem Gesicht vorbei. Erleichtert atmete ich durch. Ich hatte jedoch keine Zeit zu verlieren, setzte meinen Weg unbeirrt fort, einen Schritt nach dem anderen. Endlich kam ich ohne einen weiteren Vorfall bei der Tafel an.
    Gegenstand Nummer eins war erreicht. Für einen Moment genoss ich meinen Triumph, aber das Spiel war noch nicht vorbei. Seit zwei Monaten schaffte ich pro Pause mindestens zwei Ziele. Also drehte ich mich langsam um, immer auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Als ich den Sandkasten entdeckte, fixierte ich ihn wieder mit den Scheuklappen am Gesicht und trabte los.
    Plötzlich traf mich ein schmerzhafter Schlag. Ich verlor das Gleichgewicht und konnte mich gerade noch auf den Beinen halten. Kaum hatte ich die Hände von den Augen genommen, sah ich Sascha. Er war in meiner Klasse und verpasste niemals eine Gelegenheit, mich zu schikanieren. Jetzt standen kleine Schweißperlen auf seiner Stirn, denn er gehörte zu der Fußballclique. Auf seine Anweisung hin ließen die Jungs mich nicht mitspielen.
    »Türke, bist du dumm?«, fauchte er mich an. »Guck, wohin du läufst!« Er fing an zu lachen, als hätte er einen Witz gemacht.
    »Ich komme Iran.«
    »Das heißt: ›Ich komme aus dem Iran‹, Türke.«
    Ich antwortete nicht, denn er würde sich ja doch nur weiter über mein schlechtes Deutsch lustig machen. Als ich ihm den Rücken zuwandte und weggehen wollte, packte er mich fest am Arm: »Ich rede mit dir!«
    Mit aller Kraft zog ich meinen Arm zurück und lief davon. Zum Glück ertönte in diesem Moment die Klingel

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