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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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gelaufen. Floppy kannte unser Ritual gut und sprang mich direkt an, um sich augenblicklich den Leckerbissen zu schnappen. Ich streichelte seinen Hals, während er genüsslich kaute. Andreas, der Hausmeister, schüttelte schmunzelnd seinen Kopf. »Du verwöhnst ihn. Das ist nicht gut.«
    »Er mag Fleisch.«
    »Ich mag auch Fleisch«, antwortete er lächelnd. »Soll ich dir heute wieder bei deinen Hausaufgaben helfen?«
    »Heute nicht. Kein Deutsch heute.«
    »Hast du den Aufsatz, den wir gestern zusammen geschrieben haben, vorgelesen?«, fragte er neugierig.
    »Ähm. Ich … Nein. Hatte Angst. Aber abgegeben.« Ich schämte mich, weil Andreas sich so viel Mühe gegeben hatte.
    »Macht doch nichts! Nächstes Mal vielleicht«, sagte er aufmunternd. »Ich habe etwas für euch.« Er hielt mir einen Umschlag hin, der mit persischen Buchstaben beschriftet war. Ich erkannte die Handschrift sofort.
    »Pedar!« Noch bevor Andreas reagieren konnte, packte ich den Brief und rannte blitzschnell zurück zu unserer Wohnung. Alle saßen entspannt am Mittagstisch.
    »Pedar hat uns einen Brief geschrieben!« Meine Brüder sprangen sofort auf. Nur Madar blieb sitzen. Ich öffnete den Umschlag und fing an zu lesen, doch ich konnte seine Handschrift schwer entziffern und stotterte herum.
    »Gib schon her!«, sagte Masoud ungeduldig und riss mir den Zettel aus der Hand. Er fing an laut vorzulesen:
    Ein Pedar und sein Sohn sitzen im Bus nebeneinander. Der Sohn kratzt sich ununterbrochen an der Mütze.
    »Asisam, wieso kratzt du die ganze Zeit deine Mütze?«
    »Tschikar konam, mein Kopf juckt.«
    »Na dann nimm doch die Mütze ab!«
    »Pedar, wenn dein Popo juckt, ziehst du ja auch nicht die Hose runter.«
    »Hä?« Ich wusste nicht, ob ich lachen sollte. »Ein Witz?«
    Masoud und Mojtaba waren genauso ratlos. Mit einem Lächeln nahm Madar den Zettel und sagte geheimnisvoll: »Da steckt mehr drin.«
    Bevor ich nachfragen konnte, was sie damit meinte, war sie in die Küche verschwunden. Kurz danach kam sie mit einer brennenden Kerze zurück. Sie stellte die Kerze auf den Tisch und hielt den Zettel über die Flamme. Für einen Moment wollte ich zupacken, weil ich dachte, dass er Feuer fangen würde. Doch Madar bewegte den Brief hin und her, sodass die Hitze an keiner Stelle zu stark wurde. Und wie durch Magie wurde langsam eine dunkle Schrift sichtbar, die sich zwischen den ursprünglichen Textzeilen versteckt hatte.
    »Das wurde mit Zitronensaft geschrieben. Das ist unsere Geheimschrift. Man weiß nie, wie oft der Brief auf dem Weg hierher geöffnet wird.«
    Dieser coole Trick machte mich noch neugieriger auf das, was Madar nun vorlas:
Salam Asisanam,
wie geht es euch? Die Dinge hier laufen nicht so, wie ich es mir wünsche. Ich konnte meine Flucht noch nicht organisieren.
Neda – die Helferin von der Flugblattaktion – ist immer noch nicht auf freiem Fuß und die Pasdaran verweigern jede Auskunft. Hoffentlich lebt sie noch. Ich bin froh, dass ihr in Sicherheit seid.
    Mibusametun – Ich küsse euch.
    Als Madar zum Ende kam, konnte ich meine Enttäuschung nicht verbergen. »Das war’s?«
    »Kein Wort darüber, wann er kommt«, fügte Mojtaba missmutig hinzu.
    »Er wird schon bald einen Weg finden, hierherzukommen«, antwortete Madar wenig überzeugend.
    Der Brief machte mich traurig. Insgeheim hatte ich mir in den letzten Monaten Hoffnungen gemacht, dass Pedar hier vielleicht mehr Zeit mit uns verbringen könnte. Im Iran hatte er in der Woche von morgens bis spät in die Nacht gearbeitet, sodass er nie wusste, wie es uns in der Schule ging. Hier würde bestimmt alles besser. Da war ich mir sicher.
    Doch nun wussten wir noch nicht einmal, wann er überhaupt bei uns sein könnte.
    MOJTABA Ich blickte herunter auf den Stock in meiner Hand. Wut ließ meine Finger kribbeln und ich packte noch fester zu. Ruckartig hob ich die Hand und rammte die glühende Spitze des Stockes in den Boden. Das pulsierende Glimmen verschwand unter der Erde und Rauch schlängelte sich Richtung Himmel.
    Wieso verhielt sich Masoud bloß so? Er machte sich lächerlich. Wie ein unterwürfiges Haustier starrte er Carina an, statt hier bei Milad und mir zu sitzen. Dass Madar viel Zeit mit Carinas Eltern verbrachte, verstand ich ja. Sie waren nett und versuchten uns zu helfen. Aber Carina … Ich ertrug es nicht mehr und warf den Stock ins knisternde Feuer.
    »Milad, kommst du mit? Ich muss mir die Beine vertreten.«
    »Nicht jetzt«, antwortete er ohne mich

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