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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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Mann war und wen sie benachrichtigt haben, weiß ich nach so vielen Jahren natürlich nicht mehr.»
    Hinter uns in Zinnas doppelstöckigem Haus klingelte das Telefon. Die Tür zum Garten stand offen. Seine Frau lief hinein.
    Die Medizinerin war mit ihren Ausführungen am Ende. «Weiter weiß ich nichts mehr. Ja, meine Mutter und die alte Frau Zinna sind schon seit Jahren tot und können keine Auskunft mehr geben.»
    «Und mit Reinkarnation läßt sich da nichts machen?» Ich wollte die Ärztin, die mir zu machtbewußt und böse erschien, soweit provozieren, daß sie ihre Deckung ein wenig fallen ließ.
    Aber obwohl die Umstehenden lachten, blieb sie voll beherrscht. «Nein. Das wird ein so guter Mensch gewesen sein, daß er ohne weitere Umwege ab ist ins Nirwana.»
    Damit war sie die Siegerin, und als ich Zinna fragte, was denn mit den Gegenständen sei, die möglicherweise aus dem Lager Sachsenhausen stammten, zuckte er nur mit den Schultern.
    «Keine Ahnung. Die sind ja auch nicht direkt da gefunden worden, wo der Tote begraben war, sondern weiter zum Zaun hin. Wer weiß, was da noch...»
    Die ORB-Leute baten die Ärztin, zum Bahnhof Oranienburg mitzukommen. Da standen noch ein paar alte Eilzugwagen, und man konnte das, was sie erzählt hatte, besser ins Filmische umsetzen, wenn man zusätzlich zum Bahndamm hier noch die Puffer zeigte, auf denen der junge Mann gesessen hatte, und die Räder mit ihrer Guillotine-Wirkung.
    Als man losziehen wollte, erschien Frau Zinna in der Tür und suchte ihren Mann.
    «Du, da war ’n Anruf... der Uhlig ist tot.»
    Ich fuhr zusammen. Mein Kronzeuge dafür, daß Woerzke nicht Woerzke war.
    «Der Gerhard Uhlig aus Lindow, vom Wutzsee der...?» hörte ich Zinna fragen.
    «Ja. »

31. Szene
Kreiskrankenhaus
    Für einen Toten war Gerhard Uhlig ziemlich munter. Zwar hatte man ihn mit einem Höchstmaß an Gips- und Mullverbänden, Schläuchen, Kabeln und dergleichen ausgestattet, doch die Ärzte auf der Intensivstation hatten nichts dagegen, wenn ich knappe zehn Minuten mit ihm sprach. Ich desinfizierte mir die Hände, bekam einen weißen Kittel gereicht, zog ihn an und trat ans Krankenbett.
    «Hallo, Herr Uhlig. Herzlichen Glückwunsch zum Überleben und gute Besserung. »
    «Danke. Wenn Sie hier sind, dann...»
    «.. .ist es mehr als ein gewöhnlicher Verkehrsunfall, ja...» Ich setzte mich auf den Stuhl neben das Bett. Direkt vor seine Ente, in der Urin von einer Farbe schwappte, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Orange war das schon.
    «Vom Fahrer noch immer keine Spur?»
    «Nein. » Ich hatte mich natürlich umgehört. «Wie ist es denn passiert?»
    «Auf dem Fahrrad. Ich wollte nach Klosterheide rauf zu meiner Schwester. Kurz hinter Lindow. Plötzlich stößt mich eine Riesenhand nach vorn und ich fliege durch die Luft... Das ist das Ende... Irgendwie bin ich erleichtert, so richtig gespannt, was nun noch kommen wird... Ein Schmerzstoß, dann versinke ich irgendwie in einem weißen Nichts... Als wenn ein Flugzeug durchsackt, durch die Wolken durch.» Er schloß die Augen.
    Etwas, was ich auch ganz gerne getan hätte. «Bei Zinna hieß es, sie seien tot...?»
    «Totgesagte leben länger... »
    Wenn ich etwas haßte, dann Phrasen dieser Art. Aber von einem schwerverletzten Menschen konnte man sicher keine Aperçus erwarten, von einem ehemaligen SED-Kreissekretär erst recht nicht.
    Ich mußte zur Sache kommen, die Minuten verrannen. «Haben Sie denn noch einmal über Woerzke nachgedacht...?»
    «Über Werner Wolmir, ja. Und herumtelefoniert überall. Aber er ist und bleibt verschwunden.» Uhlig brach ab und hob den Kopf ein wenig. «Meinen Sie, daß die mich vielleicht deswegen...?»
    «Das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen.»
    «Was werden Sie jetzt tun?»
    Ich reagierte ausweichend. «Es wohl weiterhin auf kleiner Flamme kochen müssen...»
    «Soll ich noch mal mit Koppatz reden?»
    Ich erschrak. «Haben Sie denn schon?»
    Er war erstaunt. «Sollte ich denn nicht?»
    «Doch, doch...» Ich hatte nur anderthalb Minuten, um da nachzuhaken. Unser Gespräch war in Teilen viel schleppender abgelaufen, als sich dies hier schildern läßt. «Sie waren befreundet, Koppatz und Sie...?»
    «Ja...»
    Ich hörte das Aber heraus und wollte mehr darüber wissen.
    «Nun...» Uhlig fiel das Sprechen immer schwerer. «Eine alte Rechnung, der Schnee von gestern... Seine Mutter hat 1953 / 54 treu zu Walter Ulbricht gehalten, meine Eltern standen Zaisser und

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