Unfassbar für uns alle
Uferlaternen und zumal von hinten wesentlich jünger aussah, als sie war. Aber wo in der Kriminalgeschichte hatte es einen Fall gegeben, in dem eine Frau erst erschossen und dann mißbraucht worden war? Da reimte sich nicht viel zusammen. Allerdings, sie konnte sich gewehrt haben, so lange bis er die Nerven verloren hatte. Vielleicht mit Spott und abwertenden Bemerkungen, so im Ton der alten Oberlehrerin. Ging man es von daher an, war er wieder in hohem Maße verdächtig.
Volker Vogeley kam herein und flüsterte mir etwas ins Ohr. Daß Viebak bei der Brandenburgischen Vereinsbank einen außerordentlich guten Ruf habe und nicht im entferntesten an Unregelmäßigkeiten, Veruntreuungen und dergleichen zu denken sei... Ich war um eine Hoffnung ärmer. Hätte ja sein können, daß er von Schweriner und seinem Mafia-Clan erpreßt worden war.
Volker Vogeley ging wieder, wir konnten weitermachen.
«Ihre Mutter ist zur Kur in Bad Liebenwerda?»
«Ja...»
Dieses Puddinggesicht brachte mich langsam in Rage. Wenn er nur nicht bei jedem debil gedehnten Ja oder Nein so buddhahaft gegrinst hätte. Fast mußte ich meine rechte Hand mit der linken umklammern, um ihm nicht eine runterzuhauen. Ich hörte Heikes Lästermaul: «Es ist doch euer Job, einen Pudding an die Wand zu nageln...»
«Sie sind also abends nur mal eben so spazierengegangen?»
«Ja...»
Yaiza Teetzmann stieß nach und fragte, ob das genau so gewesen sei wie an dem Abend, an dem Luise Tschupsch ermordet worden war.
«Nein.»
«Was haben Sie da gemacht?»
«Ferngesehen.»
«Und was?»
«Nichts richtig, immer nur so durch die Programme gedrückt ...»
«Zum Beispiel?»
Er zählte eine Reihe von Programmen auf. Fast zu genau. Wahrscheinlich hatte er die Hör zu auswendig gelernt.
«Allein?»
«Ja. Meine Mutter war ja schon zur Kur.»
Als Alibi war das natürlich wenig, aber als Indiz dafür, daß er der Täter war, auch nicht mehr wert. Wie diesen Pudding an die Wand nageln ...?
«Gehen Sie immer mit einer Pistole in der Manteltasche spazieren?»
«Ja...»
Auch das war bei der allgemeinen Angsthysterie in deutschen Landen noch nichts, was zur Anklage reichte.
Yaiza Teetzmann schien Sven Viebak viel gleichmütiger hinzunehmen als ich. «Und warum sind Sie denn so dicht hinter mir hergelaufen?»
«Ich bin nicht hinter Ihnen hergelaufen, sondern Sie vor mir.»
Nun riß mir doch der Geduldsfaden. «So wie Luise Tschupsch unter der Eisenbahnbrücke!»
«Ich habe Frau Tschupsch nicht erschossen!»
Yaiza Teetzmann lachte. «Und die goldene Taschenuhr von Frau Tschupsch, die wir bei Ihnen gefunden haben, die ist Ihnen so mir nichts, dir nichts in Ihren Schrank gezaubert worden...?»
Viebak verblieb in stoischer Ruhe. Er hatte die Handflächen auf die aufgestellten Knie gelegt und den Oberkörper in eine aufrechte Stellung gebracht. «Ich verdiene genug, um mir viele solcher Uhren kaufen zu können.»
Ich sprang auf und schrie ihn an. «Quatsch! Wir sind doch keine Idioten hier! Sie waren im Anschluß an die Tat in der Wohnung von Frau Tschupsch, mit deren Schlüsseln, um von sich abzulenken, einen simplen Raubmord vorzutäuschen.»
«Nein...»
«Ich weiß: Sie haben diese Uhr von einem Russen auf dem Trödelmarkt an der Straße des 17. Juni gekauft – ha-ha-ha!» Höhnischer konnte ich es nicht zum Ausdruck bringen.
«Doch, so ist es aber.»
Das war die Sicherheit dessen, der wußte, daß er mit einem cleveren Rechtsanwalt von keinem Gericht der Bundesrepublik bei diesem Sachstand in den Knast geschickt werden konnte. Das In-dubio-pro-reo schützte ihn hundertprozentig. Wer nirgendwo Fingerabdrücke, Blut, Haare und Sperma hinterließ, war wohl immer aus dem Schneider. Lebenslänglich aufgrund solcher Indizien, wie wir sie hatten, schien undenkbar. Und daß die besagte Uhr wirklich Luise Tschupsch gehört hatte, war auch nicht naturwissenschaftlich exakt nachzuweisen, sondern nur eine vage Annahme ihres Bruders, der ein solches Stück stets bei ihr gesehen hatte und nun vermißte. Vielleicht hatte sie es selber verkauft, vielleicht war es ein Pendant, vielleicht gab es Hunderte davon.
Das Telefon klingelte und erlöste mich erst einmal von der Qual des Dialogs mit Viebak. Es war Thomas Sch., ein alter Bekannter von mir, der seit Jahren im Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen seinen Dienst versah. Zu meiner großen Freude konnte er mir die Mitteilung machen, daß die Firma Havelland-Investment GmbH zu den Kunden der Brandenburgischen
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