Unfassbar für uns alle
sind immer gut ausgekommen mit Ihrem Sohn ...?»
«Ja, sonst würde er ja schon längst weggezogen sein.»
Mir fiel keine Frage mehr ein, obwohl ich sicher war, daß da noch vieles offen sein mußte, und ich kam mir vor wie ein Quizmaster, der seine Kärtchen vergessen hatte. Auch Yaiza Teetzmann war nicht gerade blendend heute. Man brauchte aber nur die Psychologieseiten der Frauenzeitschriften zu lesen, was ich bei Heike immer tat, um sofort das passende Gutachten zu haben: Sohn pathologisch auf charismatische Mutter fixiert, kann seine Sexualität nicht ausleben, so daß es schließlich zur Katastrophe kommt. Stellvertretend für seine Mutter will er die Tschupsch penetrieren, und als die sich wehrt, erschießt er sie. Wiederum anstelle seiner Mutter. Dann täuscht er einen Raubmord vor, um von sich abzulenken, verkauft aber Tage später den erbeuteten Schmuck, damit wir ihn festnehmen können, denn er weiß, daß die Tat gesühnt werden muß. Als es dann aber soweit ist, verläßt ihn der Mut, auch wird sein Schamgefühl zu groß, und er leugnet alles. Kann das seiner Mutter nicht antun, ein Mörder zu sein.
Ich hörte sie schon alle wiehern und spotten: So was von Klischee, o Gott!
Als ob wir nicht seit Jahrhunderten unter der Diktatur des Immergleichen lebten und alles Leben in Mustern ablief.
Das war also kein Argument gegen meine Thesen. Eher schon verwirrte mich die Tatsache, daß die bei Viebak gefundene Waffe nicht identisch mit der Tatwaffe war. Aber konnte er nicht auch zwei Waffen besessen haben...? Und zweitens hätte ich ihn ja viel lieber als Killer gesehen. Ob er nicht doch Schwierigkeiten in seiner Bank gehabt hatte... Ich fragte seine Mutter danach.
«Nein, keine beruflichen Probleme.»
«Und es hat auch niemand eine Gelegenheit gehabt, ihn zu erpressen?»
«Er ist so korrekt, daß er nicht einmal eine Büroklammer seiner Bank mit nach Hause bringt.»
Vorstellbar war ja immerhin, daß ihn Schweriner und seine möglichen mafiosen Hintermänner irgendwie eingebunden und für ihre Zwecke instrumentalisiert hatten, zur Geldwäsche beispielsweise.
«War ein Herr Schweriner von der Havelland-Invest mal als Gast bei Ihnen hier...?»
«Nein...»
Sie schien mir doch ein wenig gezögert zu haben. «Wirklich: nein. ..?»
«Ja.»
«Und gesundheitlich... war Sven mal beim Arzt?» Das zielte in Richtung psychiatrischer Behandlung.
«Letztes Jahr eine Menikusoperation, sonst war er kerngesund.»
Ich fragte ganz direkt nach einem Nervenarzt.
Hannelore Viebak war empört. «Hören Sie doch auf, ihn da in eine ganz bestimmte Ecke zu stellen!»
Yaiza Teetzmann erwachte aus ihrer Lethargie. «Was is’n mit ’ner Schwiegertochter, keine in Sicht?»
«Er ist mit seiner Arbeit verheiratet. Und was den Haushalt betrifft, da hat er ja mich.»
Yaiza ließ nicht locker. «So ’n junga Mann wie er, der will doch auch mal richtig bumsen...»
«Da werden sich schon einmal Gelegenheiten dazu ergeben haben. ..» Hannelore Viebak schien dieses Thema gar nicht zu mögen. Zuerst fiel mir natürlich das Stichwort Inzest ein, dann aber Luise Tschupsch. Wenn nun Viebak den «Club Dionysos», das Bordell in der Spessartstraße, frequentiert und Luise Tschupsch seine Autonummer notiert hatte. (Wenn Sie nicht aufhören, Prostituierte aufzusuchen, werde ich Ihre Frau davon in Kenntnis setzen. . .› Dabei nicht wissend, daß die Hannelore Viebak im Oranienburger Telefonbuch nicht seine Gattin, sondern seine Mutter war. Eine Mutter, vor der er wahnsinnige Angst hatte, die er um nichts auf der Welt enttäuschen wollte. Und wie ich Hannelore Viebak einschätzte, war Vögeln mit einer Nutte ein erhebliches Verbrechen für sie, allemal ausreichend, den Sohn zu verstoßen. Es wäre ein Verrat für sie gewesen.
Das war es. Ich stand auf und ging zu Volker Vogeley hinüber.
«Na, was gefunden, was uns weiterbringen könnte?»
«Nein.»
«Hast du mal sein Telefonverzeichnis oder so was gefunden?»
«Das silberne Büchlein hier...» Volker Vogeley gab es mir.
Ich brauchte nicht lange zu suchen. Es stand mit feinem Bleistift geschrieben.
Dionysos 030/853 und so weiter.
38. Szene
Wohnung Tschupsch
Schon seit anderthalb Stunden knieten wir auf Luise Tschupschs Dachboden und wühlten sozusagen in ihrem Leben herum. Ich hatte ihren Bruder nur kurz sprechen wollen und war vom Nachbarn raufgeschickt worden. «Der hockt da unterm Dach und sucht nach Gold und Edelsteinen.»
«Gott, was die alles gesammelt hat!» Ludger
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