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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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immerhin hatte ich dabei die Rückendeckung meines direkten Vorgesetzten. Seit ich ihn wegen seines Bordellbesuchs unter Druck setzen konnte, war Koppatz so kooperativ, daß es im Standardwerk «Mensch und Organisation» von Bosetzky & Heinrich allemal für eine Fallbeschreibung reichte: ‹Vorbildliches Führungsverhalten im Bereich der Polizei.› Oder besser zum Satz: ‹Nicht Begabung, Fleiß und Kompetenz bringen einen Menschen in der Hierarchie nach oben, sondern das Instrumentalisieren der Fehler und Verfehlungen von anderen für die eigenen Zwecke (Strategie: Menschen umarmen und zugleich erpressen).›
    Was brauchte ich von Black / Woerzke / Wolmir...?
    – Blut...
    Sollte ich mich auf eine Schlägerei mit ihm einlassen, ihm eins auf die Nase geben und dann mit seinem Blut an meiner Hand ins Labor laufen? Oder warten, bis er Nasenbluten hatte und dann sehen, wie ich an sein Tempotaschentuch kam?
    – Speichel...
    Ich konnte mich ins Restaurant setzen und warten, bis er aufgestanden war und mir dann sein Glas ansehen. Das war eine Möglichkeit, das war recht realistisch. Aber wahrscheinlich wischte er sich den Mund ab, bevor er etwas trank, und es war zuwenig Spucke am Glas. Ich hätte mich vorher erkundigen sollen. Ich konnte ihm auch zurufen «Du adliger Arsch, du!» und hoffen, daß er mich dann anspucken würde. So ernst die Sache war, so albern wurde sie zugleich. Spiele der Erwachsenen, Muster WJEM nach Eric Berne: ‹ Wir jagen einen Mörder›.
    – Hautfetzen...
    Ich konnte ihm einen Nagel in die Zimmertür schlagen und warten, bis er sich den Finger aufgerissen und ein Stückchen Haut hinterlassen hatte.
    – Haare...
    Ich konnte nach ihm zum Friseur gehen, noch besser war es aber, wenn ich mich ins Hotelzimmer schlich und auf seinem Kopfkissen suchte.
    Das einfachste wäre natürlich gewesen, Black / Woerzke / Wolmir offiziell zu einer Blutentnahme zu bitten, aber nicht einmal Koppatz’ wahnsinnig gute Beziehungen reichten da aus, das bei der vorliegenden Beweislage zügig auf den Weg zu bringen. Kein Staatsanwalt, kein Untersuchungsrichter wagte sich an diese Sache ran. Bei dem Staub, den das aufwirbeln würde, hatten alle Angst um ihre Karriere. Blieb also nur der quasi geheimdienstliche und ein wenig illegale Weg. Erst wenn der falsche Waldemar mit Hilfe der DNA-Analyse entlarvt war, machten alle alles mit. In diesem Fall, so war ich mit Koppatz verblieben, war aber nicht ich das ‹investigative Element›, sondern Heike in ihrer Berufsrolle als Journalistin, die Frau Hunholz eben.
    Ich schleuderte also weiterhin durch die Gänge und pirschte mich immer näher an die Suite heran, die Black / Woerzke / Wolmir für sich und Joan gemietet hatte.
    Daß er mit ihr in der Orangerie unten saß und sie gerade mit dem Frühstück begonnen hatten, war von mir natürlich vorher ausgekundschaftet worden. Weiter.
    Als ich mich unverhofft umdrehte, sah ich einen Mann hinter einem Mauervorsprung verschwinden. War das mein Mörder? Hing Ludger Tschupsch doch mit Schweriners Mafia zusammen und hatte er seinen Leuten vom Fund der Woerzke-Locke berichtet? Nutzten sie ihre letzte Chance, um mich auszuschalten, bevor ich ihren großen Plan zunichte machte? Es ging um etliche Millionen – und wenn sie Luise Tschupsch getötet hatten, würden sie mit mir dasselbe tun.
    ... warten, bis ich in der Suite verschwunden war und dann...
    Ich zögerte. War’s die Sache wert? Nein. Sylvester sollte mehr von seinem Vater haben als später einmal die Zeitungsnotiz: ‹Kripobeamter im Schloßhotel Friedrichsheide erschossen aufgefunden›.
    Andererseits, nein... Archaisches trieb mich, den Helden zu spielen.
    Scheiße, das Zimmermädchen war gerade am Werkeln. Und wenn es irgendwo Blut, Haare, Speichel, abgerissene Pflaster, Spermaspuren und was auch immer gegeben haben sollte, dann war das jetzt total passé.
    Doch ich hatte Glück im Unglück. Sie brachte gerade einen kleinen Mülleimer heraus, offensichtlich den aus dem Bad, stellte ihn ab und verschwand dann wieder. Mit zwei, drei Schritten war ich da und bückte mich.
    Obenauf lag ein ausgelesenes, ziemlich zerfleddertes Buch. Ich zog es heraus. Louise Erdrich / Katrina Kenison, «Best American Short Stories» 1993. Schnell und fiebernd begann ich zu blättern. John Updike, Playing with Dynamite... Der Killer. Ich fuhr herum. Niemand zu sehen. Tom Jones, I Want to Live! Und ob. So eine Scheiße, nichts was sich... Lorrie Moore, Terrific Mother... Da: Blut! Ich riß die

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