Ungeahnte Nebenwirkungen
hypermodernen Kassencomputer ein, der mit seinen tausend Knöpfen und Tasten wohl mindestens ebenso viele unglaubliche Dinge hätte machen können, wenn nur jemand gewusst hätte, wie man ihn dazu brachte.
Die Geldschublade öffnete sich wie durch Zauberhand. Nicole entnahm ihr eine Münze. Sie legte sie auf den angewinkelten Zeigefinger und platzierte den Daumen darunter.
»Kopf bedeutet, ich gehe zur Disco, Zahl, ich bleibe zu Hause«, bestimmte sie laut. Dann verpasste sie dem Geldstück einen kräftigen Kick, ließ es durch die Luft wirbeln und fing es mit der linken Hand wieder auf. Sie klatschte die Münze auf die Theke. Kopf! Was bedeutete Kopf? Nicole konnte sich nicht mehr daran erinnern, also warf sie die Münze noch einmal hoch. Wieder Kopf! Nach dem vierten Versuch, der ebenfalls mit Kopf geendet hatte, gab sie sich geschlagen. Offenbar musste sie zur Disco, egal, wie sie es auch drehte. Vielleicht begegnete sie dort Mirjam? Auf einer Frauendisco hätte sie kein Argument mehr, sich gegen Nicoles Annäherungsversuche zu wehren, die diese mit Sicherheit starten würde. Unter diesem Aspekt schien das Wort Disco einen besonderen Klang zu bekommen.
Nicole hatte sich nicht viel Mühe gemacht mit der Auswahl ihrer Kleidung, auch wenn sie bei der Aussicht, zufällig Mirjam über den Weg zu laufen, so gering die Wahrscheinlichkeit auch sein mochte, für einen Moment versucht gewesen war, sich etwas sorgfältiger zu stylen. Schließlich siegte die Bequemlichkeit. Nicole schätzte einfache Sachen, am liebsten Jeans und Hemd, nur nichts Auffälliges lautete ihre Devise. Helen allerdings hatte ihrem Kleiderschrank die besten Stücke entrissen. Sie glänzte in einer mit Pailletten besetzten Bluse, durch die ein Top mit Spitzen schimmerte. Heute trug ihre Freundin zudem keine Hose, wie Nicole erstaunt zur Kenntnis nahm, sondern einen knielangen Rock mit Seitenschlitz.
»Ich werde den Abend wohl allein verbringen müssen«, stellte Nicole fest. »Bei deiner Aufmachung werden sich die Frauen auf dich stürzen und sich um dich prügeln.«
Helen lachte geschmeichelt. »Was die Frauen wollen, interessiert mich überhaupt nicht. Hauptsache, ich finde Anna.« Sie schwieg. Über ihr Gesicht glitt ein Schatten. »Ich hoffe nur, sie ist auch wirklich da, und sie ist allein!«
Nicole legte ihren Arm fürsorglich um ihre beste Freundin. »Das wird schon«, sprach sie ihr entgegen ihrer eigenen Hoffnungen Mut zu.
Wieso hatte Helen ihre Anna nicht schon längst ins Bett gezerrt? Dass sie dies wollte, daran bestand doch absolut kein Zweifel!
Sie öffneten die Tür zur Disco. Ein Schwall lauter Musik schlug ihnen entgegen. Der Raum platzte aus allen Nähten, die Frauen standen dicht gedrängt an der Bar, um die kleinen Bistrotische und am Rand der Tanzfläche. Auf dem Parkett drehten sich erst wenige Paare, dafür schienen diese aber den Begriff eng neu definieren zu wollen.
»Hallo zusammen«, vernahm Nicole eine fröhliche Stimme neben sich.
Sie drehte sich leicht und erkannte Kojak, die offenbar neben der Tür auf sie, genauer auf Helen, gewartet hatte. Neben sich hörte sie, wie Helen laut die Luft einsog. Helen drängte sich an Nicole vorbei und umarmte Anna, die sie lächelnd gewähren ließ. Sie erwiderte den scheuen Kuss und griff nach Helens Hand.
»Du entschuldigst uns?« bat Anna höflich, ehe sie sich mit Helen ins Gewühl stürzte.
Zwar hatte Nicole nichts zu entschuldigen oder zu erlauben, schließlich war ihre Freundin alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, trotzdem fühlte sie sich über den blitzartigen Abgang der beiden vor den Kopf gestoßen. Sie stand noch immer nahe der Eingangstür und kam sich vor wie bestellt und nicht abgeholt.
Nicole hatte ein freies Stückchen Wand ausgemacht. Sie lehnte sich aufseufzend dagegen und ließ ihren Blick über die Massen von Frauen schweifen. Was tat sie hier? In diesem Gewühl die Frau ihrer Träume auszumachen, schien ein Ding der Unmöglichkeit, vor allem, da sie noch nicht mal wusste, ob Mirjam überhaupt auf Discos ging. Eigentlich könnte sie ja wieder gehen, sie hatte ihre Pflicht getan, dachte Nicole. Kaum zu glauben, wie schnell aus einer begehrten Begleiterin ein einsames Mauerblümchen werden konnte!
Da Nicole sich aber mit dem Gedanken abgefunden hatte, den Abend auf der Disco zu verbringen, und auch die entsprechende Einstellung dazu ausgegraben hatte, beschloss sie, sich wenigstens einen Drink zu gönnen und nicht nur nach Mirjam,
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