Ungeahnte Nebenwirkungen
wohne.« Sie seufzte.
Es fiel ihr schwer, diesen Bereich ihrer Privatsphäre offenzulegen, das spürte Nicole deutlich, doch sie hatte sich offenbar entschieden, Nicoles Geduld zu belohnen.
»Du erinnerst dich, was ich über Beziehungen sagte?« fragte Mirjam.
Nicole nickte wieder, das würde sie so schnell nicht vergessen.
»Für mich sind viele Frauen attraktiv, doch ich kann mir nicht vorstellen, mit einer länger als ein paar wenige Wochen zusammenzusein, ohne mich zu langweilen. Dazu kommt, dass ich eine extreme Einzelgängerin bin, die nicht gern über sich redet, sich schon gar nichts sagen lässt – und keine Kompromisse eingeht.« Nicole lauschte den Ausführungen ihrer Geliebten mit wachsendem Erstaunen. Eben strafte sie ihre Aussagen Lügen. Etwas hilflos hob Mirjam die Schultern. »Ich verstehe nicht ganz, was hier abläuft«, fuhr sie in ihrem Monolog fort. Sie hatte ihn von langer Hand vorbereitet, denn obwohl ihr die ungewohnt klaren Worte schwerfielen, stockte sie nicht. »Alles, was ich weiß, ist, dass ich dir meine Wohnung zeigen möchte. Vielleicht liegt das daran, dass du mich nie mehr danach gefragt hast. Du bist ungewöhnlich geduldig, Nicole, ich weiß das zu schätzen! Irgendwie stehe ich wohl auch in deiner Schuld, denn ich gehe hier seit Wochen ein und aus, ohne dass du auf einem Gegenrecht bestanden hättest!«
So, jetzt war’s raus! Mirjam lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie suchte Nicoles Blick, den sie vorher gemieden hatte. Nicoles Lächeln hätte dem Strahlen der Sonne Konkurrenz gemacht. Sie war sprachlos, und irgendwie schien es auch wirklich unnötig zu sein, Mirjams Worte noch zu kommentieren. Nicole stand auf, ging um den kleinen Tisch herum und neigte sich von hinten über Mirjam. Sie umarmte sie und küßte sie auf den Hals.
»Ich danke dir!« sagte sie schlicht und drehte Mirjams Gesicht so, dass sie sie ansehen konnte.
Jetzt könnte sie die Gelegenheit nutzen, um vielleicht zu erfahren, was sie in Zukunft zu tun gedachte, überlegte sie. Nicole verwarf die Idee im selben Moment, in dem sie aufgetaucht war, das würde den kleinen Riss im Panzer ihrer Liebsten mit Sicherheit wieder zuschweißen – und zwar auf lange, sehr lange Zeit hinaus. Nicole entschied sich für die weitaus einfachere und, wie sie wusste, zärtlichere Variante und küßte Mirjam sanft.
Mirjam wohnte in einem eher schäbigen Wohnblock, dessen Hinterhof von der Anwesenheit vieler Kinder, Jugendlicher und Hunde zeugte. Nicole verstand jetzt, dass sich Mirjam häufiger bei ihr im Einfamilienhausviertel aufhielt, wenn sie nicht arbeitete, als hier, wo wahrscheinlich ständig Lärm und Durcheinander herrschten.
Die Wohnung lag im siebten Stock. Da der Lift – wie immer, wie Mirjam beteuerte – mit dem deprimierenden Schild »Außer Betrieb« versehen war, mussten sie die engen Treppen hinaufsteigen und kamen schließlich außer Atem vor einer zerkratzten Tür an. Mirjam schloss auf, drehte das Licht an und ließ Nicole vorausgehen.
Der enge Flur führte direkt in eine kleine, sauber aufgeräumte Küche. Links und rechts waren die Türen geschlossen.
»Schau dich nur um«, forderte Mirjam sie auf, »fühl dich wie zu Hause!«
Sie öffnete zur Bestätigung ihrer Worte die erste Tür und gab den Blick in ihr ebenfalls recht kleines Büro frei, in dem ein Computer einsam auf dem Schreibtisch stehend auf Arbeit zu warten schien. Die drei Wände leuchteten Nicole in allen Farben entgegen. Vergrößerte Fotografien, stellte Nicole erstaunt fest. Sie zeigten vor allem asiatische Motive. Nicole drehte sich nach Mirjam um, die abwartend in der Tür stehengeblieben war.
»Wer hat die gemacht?« fragte Nicole vorsichtig.
Mirjam lächelte. »Gefallen sie dir?« fragte sie zurück.
Nicole nickte. Ihr Hals würde so schnell bestimmt nicht einrosten, denn sie nickte in letzter Zeit so oft wie in ihrem ganzen Leben zuvor nicht. Doch Worte schienen der Geschäftsfrau wesentlich gefährlicher als die eindeutigen Gesten.
»Ich habe sie gemacht auf meinen Reisen«, gab Mirjam jetzt Auskunft.
Nicole wollte eben zu einer Frage ansetzen, als sie den bekannten Schatten auf Mirjams Gesicht auftauchen sah. Besser, sie ließ es bei dieser knappen Aussage bewenden, dachte sie. Nicole verlegte sich wieder aufs Nicken, das schien gut anzukommen.
Mirjam drehte sich um und trat in den Flur zurück. Sie öffnete die anderen Türen und ging dann in die Küche.
»Was möchtest du trinken?« fragte sie ganz
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