Ungeahnte Nebenwirkungen
glücklich ist«, erklärte Alice.
Michaela! Verdammt, an ihr führte kein Weg vorbei! Nicole versuchte sich ihre Verärgerung und Eifersucht, die in ihr aufgeflammt war, nicht anmerken zu lassen. Alice schien plötzlich nicht mehr so nett und sympathisch zu sein, nur weil sie diesen unseligen Namen ausgesprochen hatte! Es verdarb ihr die Laune, und zwar gründlich! Plötzlich kam Nicole etwas in den Sinn.
»Du kanntest Michaela? Wie war sie so?« fragte sie mit einer Stimme, von der sie hoffte, dass sie unbeteiligt klang.
Alice schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin ihr nie begegnet. Ich kenne zwar Ralf schon seit über fünfzehn Jahren, doch es kam nie zu einem Treffen mit Mirjam und Michaela. Mirjam sah ich das erste Mal bei Michaelas Beerdigung«, zerschlug sie Nicoles Hoffnungen. Alice sah, dass diese Informationen nicht im Sinne ihrer Zuhörerin waren. Sie hob bedauernd die Schultern. »Ich kann dir nur erzählen, was ich von Ralf über Michaela weiß. Er hat oft von ihr gesprochen«, bot sie an.
Nicole nickte. Sie wappnete sich innerlich auf eine Lobeshymne auf eine Überfrau mit Qualitäten, die weit außerhalb der Wirklichkeit – ihrer Wirklichkeit – lagen.
»Mirjam und Michaela«, begann Alice, »gehörten zusammen wie Pech und Schwefel, wie Tag und Nacht, wie Sonne und Mond. Wo die eine war, konnte die andere nicht weit sein. Sie hatten ihre eigene Sprache, mit der sie sich unterhielten, die sie im Laufe der Jahre verfeinerten, so dass sie niemand außer sie selbst verstehen konnte. Sie liebten sich und sie zankten sich, wie es sich gehört. Doch nie hätte die eine die andere im Stich gelassen. Wenn ich Ralf glauben darf, und das setze ich doch voraus, dann bestand zwischen den beiden ein Band der Verbundenheit, wie es dies nur sehr, sehr selten gibt.«
Na, was habe ich gesagt? schalt sich Nicole. Da hatte sie die Bestätigung ihrer Befürchtungen und Ängste. Nie und nimmer würde sie ein adäquater Ersatz oder eine gleichwertige Nachfolgerin für Michaela sein können! Diese Frau musste eine Fee, eine Zauberin, eine Märchenprinzessin oder eine Hexe gewesen sein. So etwas gab es doch gar nicht in der Realität, in der sie lebten! Entgegen besserem Wissen ließ Nicole das Thema aber nicht ruhen. Sie hatte eine auskunftsfreudige Person gefunden, die endlich den Schleier, der auf Michaelas Leben und Tod lag, lüften konnte.
Nicole holte tief Luft, ehe sie zu ihrer nächsten Frage ansetzte. »Wie ist Michaela eigentlich gestorben?« Sie fühlte sich genötigt, ihren Wissensdurst zu begründen. »Mirjam spricht nicht gern darüber, doch ich glaube, es belastet sie noch immer!« Und mich erst, fügte sie in Gedanken hinzu.
»Es war ein schrecklicher Unfall!« seufzte Alice. »Sie war in Mirjams Wagen unterwegs in die Stadt – damals wohnten sie in einem alten Gutshaus außerhalb – als sie von einem außer Kontrolle geratenen Sattelschlepper von der Straße gedrängt wurde. Wie die Polizei später ermittelte, stand der Fahrer des Lastwagens unter Alkoholeinfluss, wahrscheinlich hatte er sogar noch Drogen konsumiert und auch die Ruhezeiten nicht eingehalten. Jedenfalls durchbrach Michaela mit dem Wagen die Leitplanke und stürzte einen steilen Abhang hinab. Das Auto muss sich mehrmals überschlagen haben und krachte schließlich auf eine Felsplatte. Es ging wahrscheinlich sofort in Flammen auf. Michaela hatte nicht den Hauch einer Chance. Sie war vermutlich auf der Stelle tot!« schloss Alice ihre tragische Geschichte.
Das war wirklich traurig und irgendwie auch sinnlos, dachte Nicole. Das Schicksal hatte zwar erbarmungslos zugeschlagen, aber die Zeit ließ sich auch für Mirjam nicht zurückdrehen. Wieso konnte Mirjam nicht endlich das Vergangene ruhen lassen und sich auf die Gegenwart und Zukunft mit ihr, mit Nicole, konzentrieren? Warum tauchte Michaela immer noch in ihren Gedanken und wahrscheinlich auch in ihren Träumen auf? Reichten mehr als fünfzehn Jahre nicht, um die Erinnerung an eine Frau, egal, wie sehr sie geliebt worden war, verblassen zu lassen?
»Mirjam vermisst sie noch immer«, sagte Nicole mehr zu sich als zu Alice. Doch Alice fühlte sich angesprochen und nickte.
»Ja, das stimmt schon. Sie wird sie immer vermissen, denn Michaela war ein Teil von ihr«, prophezeite sie Nicole.
Alice beugte sich ein Stück über den Tisch. »Du weißt vielleicht nicht, dass ich einen Universitätsabschluss in Psychologie habe. Mirjams Verschlossenheit lässt sich im Grunde einfach
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