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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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nicht verstehen? Sie hat sich Ihnen doch aufgeschlossen, sich Ihnen angeboten, und schämt sich jetzt zu Tod, daß sie's getan hat. Sie hat Ihnen geschrieben, und Sie haben ihr nicht geantwortet, und jetzt quält sie sich Tag und Nacht, daß Sie sie wegschicken lassen, sie loswerden wollen, weil Sie sie verachten ... sie ist ganz irr vor Angst, daß Sie sich ekeln vor ihr ... weil sie ... weil sie ... Verstehen Sie denn nicht, daß das einen Menschen zugrunde richten muß, einen so stolzen, einen so leidenschaftlichen Menschen wie dieses Kind, wenn man ihn so warten läßt? Warum geben Sie ihr nicht etwas Zuversicht? Warum sagen Sie ihr nicht ein Wort, warum sind Sie so grausam, so herzlos zu ihr? Warum quälen Sie dieses arme, dieses unschuldige Kind so fürchterlich?«
    »Aber ich habe doch alles getan, um sie zu beruhigen ... ich habe ihr doch gesagt ...«
    »Nichts haben Sie ihr gesagt! Sie müssen doch selbst merken, daß Sie sie toll machen mit Ihrem Kommen, mit Ihrem Schweigen, weil sie nur wartet auf eines ... auf das eine Wort, das jede Frau erwartet von dem Mann, den sie liebt ... Sie hätte doch nie etwas zu hoffen gewagt, solange sie noch so hinfällig war ... Aber jetzt, da sie doch bestimmt gesund wird, ganz, ganz gesund in ein paar Wochen, warum soll sie da nicht dasselbe erwarten wie jedes andere junge Mädchen, warum nicht ... sie hat es Ihnen doch gezeigt, gesagt, wie ungeduldig sie wartet auf ein Wort von Ihnen ... Sie kann doch nicht mehr tun, als sie getan hat ... sie kann doch nicht betteln vor Ihnen ... und Sie, Sie sagen kein Wort, sagen nicht das Einzige, was sie glücklich machen kann! ... Ist es Ihnen denn wirklich so entsetzlich? Sie würden doch alles haben, was ein Mensch auf Erden haben kann. Ich bin ein alter, einkranker Mann. Alles, was ich besitze, werd ich euch hinterlassen, das Schloß und das Gut und die sechs oder sieben Millionen, die ich zusammengetragen habe in vierzig Jahren ... alles wird Ihnen gehören ... morgen können Sie es schon haben, jeden Tag, jede Stunde, ich will doch selber nichts mehr ... ich will nur, daß jemand für das Kind sorgt, wenn ich nicht mehr da bin. Und ich weiß, Sie sind ein guter Mensch, ein anständiger Mensch, Sie werden sie schonen, Sie werden gut zu ihr sein!«
    Der Atem versagte ihm. Wehrlos, kraftlos sank er wieder hin auf den Sessel. Aber auch ich hatte meine Kraft verbraucht, auch ich war erschöpft und fiel hin in den anderen Stuhl. Und so saßen wir genau wie früher einander gegenüber, wortlos, blicklos, ich weiß nicht, wie lange. Nur manchmal spürte ich, wie der Tisch, an den er sich ankrampfte, leicht schütterte von dem jähen Zucken, das seinen Körper überlief. Dann vernahm ich – abermals war unmeßbare Zeit vergangen – einen trockenen Ton, wie wenn Hartes auf Hartes fällt. Seine niedergebeugte Stirn war hingesunken auf die Tischplatte. Ich spürte, wie dieser Mensch litt, und unermeßlich wurde in mir das Bedürfnis, ihn zu trösten.
    »Herr von Kekesfalva«, beugte ich mich über ihn. »Haben Sie doch Vertrauen zu mir ... wir wollen alles überlegen, in Ruhe überlegen ... ich wiederhole Ihnen, ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung ... ich werde alles tun, was in meiner Macht steht ... Nur das ... was Sie mir vorhin andeuteten ... das ist ... das ist unmöglich ... völlig unmöglich.«
    Er zuckte schwach wie ein schon niedergebrochenes Tier unter dem letzten tödlichen Hieb. Seine von der Erregung leicht angespeichelten Lippen bewegten sich angestrengt, aber ich ließ ihm keine Zeit.
    »Es ist unmöglich, Herr von Kekesfalva, bitte sprechen wir nicht weiter ... überlegen Sie doch selbst ... wer binich denn? Ein kleiner Leutnant, der von seiner Gage lebt und seinem kleinen Monatszuschuß ... mit solchen beschränkten Mitteln kann man sich doch keine Existenz aufbauen, davon kann man doch nicht leben, zu zweit leben ...«
    Er wollte unterbrechen.
    »Ja, ich weiß schon, was Sie sagen wollen, Herr von Kekesfalva. Geld spielt keine Rolle, meinen Sie, dafür wäre gesorgt. Und ich weiß auch, daß Sie reich sind und ... daß ich alles von Ihnen haben könnte ... Aber gerade, daß Sie so reich sind und ich ein Nichts, ein Niemand ... gerade das macht doch alles unmöglich ... Jeder würde meinen, ich hätte es nur wegen des Geldes getan, ich hätte mich ... und auch Edith selbst, glauben Sie mir, würde ihr ganzes Leben nicht von dem Verdacht loskommen, nur wegen des Geldes hätte ich sie genommen und trotz ... trotz der

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