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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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haben ohnedies schon etwas gegen den Alten, und in den Sachensind sie verflucht heikel ... die Ehre des Regiments, ich weiß schon ... Selbst dem Balinkay haben sie's nicht verziehen. Verkauft hat er sich, haben sie gehöhnt ... verkauft an die alte holländische Kuh. Und erst, wenn sie die Krücken sehen ... nein, ich schreib lieber nichts davon nach Haus, niemand darf vorläufig was wissen, kein Mensch, ich laß mich nicht frozzeln von der ganzen Offiziersmesse! Aber wie ihnen auskommen? Ob ich nicht doch noch nach Holland fahr, zum Balinkay? Richtig – ich hab ihm noch gar nicht abgesagt, ich kann doch jeden Tag nach Rotterdam abpaschen, der Condor soll dann alles auskochen, er allein hat ja alles eingebrockt ... Er soll selber sehn, wie er die Sache wieder einrenkt, er ist an allem schuld ... Am besten, ich fahr jetzt gleich zu ihm und mach ihm alles klar ... daß ich einfach nicht kann ... Schrecklich war das, wie sie da eben hingesaust ist wie ein Hafersack ... so was kann man doch nicht heiraten ... ja, gleich werd ich's ihm sagen, daß ich ausspring ... sofort fahr ich zum Condor, sofort ... Fiaker her! Fiaker, Fiaker! Wohin? Florianigasse ... wie war die Nummer? Florianigasse siebenundneunzig ... Und rasch drauflos, du kriegst ein nobles Trinkgeld, nur rasch ... pfeffer hinein in die Pferde ... Ah, da sind wir, ich erkenn's schon, das schäbige Haus, in dem er wohnt, ich kenn sie schon wieder, die ekelhafte, schmutzige Wendeltreppe. Aber ein Glück, daß sie so steil ist ... Haha, da kommt sie nicht nach mit ihren Krücken, da kommt sie nicht herauf, da bin ich wenigstens sicher vor dem Tok-tok ... Was? ... Steht schon wieder das schludrige Dienstmädel vor der Tür? ... Steht die allerweil so vor der Tür, die Schlampen? ... »Ist der Herr Doktor zu Hause?« »Nein, nein. Aber gehn's nur hinein, wird sich gleich kommen.« Böhmischer Trampel! Na, setzen wir uns hinein und warten wir. Immer warten auf den Kerl ... nie ist er zu Haus. O Gott, wenn nur nicht wieder die Blinde hereinschlurft ... die kann ich jetztnicht brauchen, meine Nerven halten das nicht aus, dies ewige Rücksichtnehmen ... Jesus Maria, da kommt sie schon ... ich hör ihren Schritt nebenan ... Nein, gottlob, nein, das kann sie nicht sein, so fest tritt die nicht auf, das muß wer anderer sein, der da geht und spricht ... Aber ich kenn doch die Stimme ... Wie? ... ja wieso denn? ... das ist doch ... das ist doch der Tant' Daisy ihre Stimm' und ... ja, wie ist das denn möglich? ... wieso ist auch die Tant' Bella auf einmal da und die Mama und mein Bruder und die Schwägerin? ... Unsinn ... unmöglich ... ich warte doch beim Condor in der Florianigassen ... den kennen sie gar nicht in der Familie, wie sollen sich die alle grad beim Condor Rendezvous geben? Aber doch, sie sind's, ich kenne die Stimme, die kreischige von der Tant' Daisy ... Um Gottes willen, wo kriech ich rasch unter? ... immer näher kommt's von nebenan ... jetzt geht die Tür auf ... von selber ist sie aufgegangen, beide Flügel, und meiner Seel! – da stehen's alle im Halbkreis wie für den Photographen und schaun mich an, die Mama im schwarzen Taftkleid mit den weißen Rüschen, das sie bei der Hochzeit vom Ferdinand getragen hat, und die Tant' Daisy in Puffärmeln, das goldene Lorgnon gestielt über die scharfe hochmütige Nasen, diese ekelhafte Spitznas, die ich schon gehaßt hab, wie ich vier Jahre alt war! Mein Bruder im Frack ... wozu trägt er den Frack, mitten am Tag? ... und die Schwägerin, die Franzi, mit ihrem dicken pampfigen Gesicht ... Ah, ekelhaft, ekelhaft! Wie sie mich anstarren und die Tant' Bella maliziös lächelt, als ob sie auf was warten tät ... aber alle stehen sie im Halbkreis herum wie bei einer Audienz, alle warten sie und warten sie ... worauf warten sie denn?
    Aber »Gratuliere«, tritt jetzt feierlich mein Bruder vor und hat auf einmal seinen Zylinderhut in der Hand ... ich glaube, der Ekel sagt's ein bissel höhnisch, und »Ich gratuliere ... Ich gratuliere«, nicken und knicken dieandern ... Aber wie ... woher wissen sie's denn schon, und wieso sind sie alle beisammen ... die Tant' Daisy ist doch verkracht mit dem Ferdinand ... und ich hab doch niemandem was gesagt.
    »Da kann man einmal gratulieren, bravo, bravo ... sieben Millionen, das ist ein Riß, das hast du gut gemacht ... Sieben Millionen, da fällt was ab für die ganze Famili'«, reden sie alle durcheinander und grinsen. »Brav, brav«, schmatzt die Tant' Bella, »da kann der

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