Ungeduld des Herzens.
modernisierte die Zuckerfabrik, beteiligte sich am Walzwerk bei Wiener Neustadt und führte jene blendende Transaktion im Spirituskartell durch, über die damals viel gesprochen wurde. Daß er reich wurde, jetzt wirklich reich, änderte nichts an dem zurückgezogenen, sparsamen Leben des Ehepaares. Als wollten sie die Menschen nicht zu sehr an sich erinnern, luden sie selten Gäste zu sich, und das Haus, das Sie ja kennen, wirktedamals unvergleichlich einfacher und ländlicher – freilich, um wieviel glücklicher auch war es als heute!
Dann kam die erste Prüfung über ihn. Schon längere Zeit hatte seine Frau an inneren Schmerzen gelitten, die Speisen widerten sie an, sie magerte ab, ging immer müder und erschöpfter; aber aus Furcht, den vielbeschäftigten Mann mit ihrer unbedeutsamen Person zu beunruhigen, preßte sie die Lippen zusammen, wenn ein Anfall kam, und verschwieg ihre Schmerzen. Als schließlich ein Verbergen sich nicht länger mehr möglich erwies, war es zu spät. Man brachte sie im Krankenwagen nach Wien, um das vermeintliche Magengeschwür – in Wirklichkeit einen Krebs – zu operieren. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Kekesfalva kennen, und eine wildere, eine grausamere Art der Verzweiflung habe ich nie bei einem Menschen gesehen. Er konnte, er wollte einfach nicht begreifen, daß die Medizin seine Frau nicht mehr zu retten vermochte; nur Trägheit, nur Gleichgültigkeit, nur Unfähigkeit der Ärzte schien es ihm, daß wir nicht mehr taten, nicht mehr tun konnten. Fünfzigtausend, hunderttausend Kronen bot er dem Professor, wenn er sie gesund mache. Telegraphisch ließ er am Tag der Operation noch aus Budapest, aus München, aus Berlin die ersten Autoritäten kommen, nur um einen zu finden, der sagte, daß man sie vielleicht vor dem Messer bewahren könne. Und nie in meinem Leben werde ich seine irren Augen vergessen, während er uns anschrie, wir seien insgesamt Mörder, als die Unrettbare, wie nicht anders zu erwarten war, unter dem Messer blieb.
Das wurde sein Damaskus. Von diesem Tage an blieb etwas verändert in diesem Asketen des Geschäfts. Ein Gott war ihm gestorben, dem er von seiner Kindheit an gedient: das Geld. Jetzt gab es für ihn nur noch eines auf Erden: sein Kind. Er nahm Gouvernanten und Diener auf, ließ das Haus umbauen, kein Luxus war dem einst so Sparsamen genug. Er schleppte die Neunjährige, dieZehnjährige nach Nizza, nach Paris, nach Wien, verwöhnte und verzärtelte sie in der äffischesten Weise, und mit der gleichen Wildheit, mit der er bisher Geld gerafft, warf er es jetzt, gleichsam verächtlich, um sich – vielleicht hatten Sie gar nicht so unrecht, wenn Sie ihn nobel und vornehm nannten, denn seit Jahren hat sich tatsächlich eine ungewöhnliche Gleichgültigkeit gegen Gewinn und Verlust seiner bemächtigt; er hat das Geld verachten gelernt, seit ihm alle Millionen seine Frau nicht zurückkaufen konnten.
Ich will Ihnen – es wird spät – die Abgötterei nicht im einzelnen schildern, die er mit seinem Kind trieb; schließlich war sie verständlich, denn die Kleine wuchs bezaubernd heran, ein wirklich elfisches Wesen in jenen Jahren, zart, schlank, leicht, mit grauen Augen, die jeden hell und freundlich anstrahlten; sie hatte von der Mutter die schüchterne Sanftmut, vom Vater den durchdringenden Verstand geerbt. Hellsinnig, liebenswürdig blühte sie auf zu jener wunderbaren Unbefangenheit, wie sie einzig Kindern zu eigen ist, die vom Leben niemals Feindseligkeit oder Härte erfahren. Und nur wer die Verzauberung des alternden Mannes kannte, der nie zu hoffen gewagt, aus seinem schweren dunklen Blut könnte ein so frohmütiges, weltfreundliches Gebilde entstehen, vermag seine Verzweiflung ganz zu ermessen, als jenes zweite Unglück über ihn fiel. Er konnte, er wollte nicht begreifen – und vermag es heute auch noch nicht –, daß gerade dies Kind, sein Kind, so geschlagen, so verstümmelt bleiben sollte, und ich scheue mich wirklich, all die Unsinnigkeiten zu verraten, die er in seiner fanatischen Desperation beging. Daß er alle Ärzte der Welt mit seiner Insistenz zur Verzweiflung bringt, daß er uns mit den wildesten Summen gleichsam zu zwingen sucht, eine sofortige Heilung durchzusetzen, daß er mich jeden zweiten Tag anruft, völlig sinnlos, nur um seiner rasenden Ungeduld nachzugeben,will ich gar nicht weiter erwähnen; aber jüngst erzählte mir vertraulich ein Kollege, daß der alte Mann allwöchentlich in der Universitätsbibliothek mitten
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