Ungeduld des Herzens.
Bäuerin mit Tränen in den Augen wie eine Trunkene von einem zum andern, ganz geblendet von der Ehre, die der Hochzeit des Sohnes widerfahren war, indes der Bräutigam in seiner Befangenheit abwechselnd auf seine Braut, auf uns und auf seine schweren blitzenden Röhrenstiefel glotzte.
In diesem Augenblick tat Kekesfalva das Klügste, um dieser schon peinlich werdenden Ehrfürchtigkeit Einhalt zu gebieten. Er schüttelte dem Brautvater, dem Bräutigam und einigen Honoratioren herzlich die Hand und bat sie, man möchte doch nicht um unseretwillen das schöne Fest unterbrechen. Die jungen Leute sollten nach Herzenslust weiter tanzen; keine größere Freude könnten sie uns bereiten, als unbekümmert fortzufahren. Gleichzeitigwinkte er den Primas zu sich, der, die Geige unter den rechten Arm gesteckt, in einem gleichsam erstarrten Bückling vor der Estrade gewartet hatte, warf ihm einen Geldschein zu und bedeutete ihm, zu beginnen. Dieser Geldschein mußte ziemlich groß gewesen sein, denn wie unter einem elektrischen Schlag zuckte der scharwenzelnde Bursche auf, stürzte jäh zu seiner Estrade zurück, blinkte den Musikanten zu, und im nächsten Augenblick legten die vier Burschen los, wie es wirklich nur Ungarn und Zigeuner können. Schon der erste Zimbalschlag zerschlug mit seiner reißerischen Kraft alle Befangenheit. Im Nu formten sich Paare, der Tanz stampfte los, wilder und überschwenglicher als vorher, denn unbewußt fühlten alle die Burschen und Mädel den Ehrgeiz, uns zu zeigen, wie richtige Ungarn tanzen können. In einer Minute war der eben noch ehrfürchtig stille Saal in einen hitzigen Wirbel von schwingenden, springenden, stampfenden Körpern verwandelt; bis auf die Estrade hinauf klirrten die Gläser bei jedem Takt, so wuchtig und wild donnerte die begeisterte Jugend los.
Edith blickte mit blitzenden Augen in das Getümmel. Plötzlich fühlte ich ihre Hand auf meinem Arm. »Sie müssen auch tanzen«, befahl sie. Glücklicherweise war die Braut noch nicht in den Wirbel gezogen, ganz taumlig starrte sie auf den Ring an ihrem Finger. Als ich mich vor ihr verbeugte, errötete sie zuerst über die ungeziemende Ehre, ließ sich aber willig führen. Unser Beispiel machte wiederum dem Bräutigam Mut. Er forderte, von seinem Vater heftig angestupft, Ilona auf, und nun hämmerte der Zimbalspieler noch besessener auf sein Instrument los, wie ein schwarzer schnurrbärtiger Teufel strich der Primas seine Geige; ich glaube, niemals vordem und nachdem ist in diesem Dorfe so bacchantisch getanzt worden wie an jenem Hochzeitstag.
Aber noch immer hatte sich das Füllhorn der Überraschungennicht völlig ausgestreut. Angelockt von dem verschwenderischen Geschenk an die Braut, hatte sich eine jener alten Zigeunerinnen, wie sie bei solchen Festen niemals fehlen, zur Estrade hinaufgedrängt und redete Edith heftigst zu, sich aus der Hand wahrsagen zu lassen. Diese zeigte sich sichtlich geniert. Einerseits ehrlich neugierig, schämte sie sich andererseits, in Gegenwart so vieler Zuschauer solchem Hokuspokus nachzugeben. Ich schaffte rasch Rat, indem ich Herrn von Kekesfalva und alle andern sanft von der Estrade wegdrängte, damit niemand etwas von den geheimnisvollen Prophezeiungen erlauschen könne, und den Neugierigen blieb nichts übrig, als von ferne lachend zuzuschauen, wie mit manchem Abrakadabra die hingekniete Alte Ediths Hand nahm und studierte; jeder in Ungarn kennt ja den ewigen Trick dieser Weiber zur Genüge, jedem das Allererfreulichste zu künden, um dann an der guten Botschaft kräftig zu profitieren. Aber zu meinem Erstaunen schien Edith alles, was die krumme Person ihr mit rauher und eilfertiger Stimme zuflüsterte, merkwürdig zu erregen. Jenes Zittern um ihre Nasenflügel begann, das bei ihr heftige Anspannung unvermeidlich begleitete. Immer tiefer sich niederbeugend, horchte sie hin, manchmal sich ängstlich umschauend, ob nicht jemand mitlausche; dann winkte sie ihren Vater heran, flüsterte ihm etwas befehlend zu, worauf er, gefügig wie immer, in die Brusttasche griff und der Zigeunerin einige Noten zusteckte. Der Betrag mußte nach dörflichen Begriffen ein unermeßlich großer gewesen sein, denn das alte gierige Weib fiel wie hingemäht in die Knie, küßte, einer Besessenen gleich, Edith den Rocksaum und strich mit unverständlichen Beschwörungen immer hastiger über die lahmen Füße hin. Dann sprang sie mit einem Ruck weg, als hätte sie Angst, jemand könnte ihr das viele Geld wieder
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