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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Lächeln verbreiterte Toms Mund. Wahrscheinlich hielt er sich für unwiderstehlich.
    Isabell klapperte auf ihren viel zu hohen Absätzen herein, und Tom winkte ihr zu. »In zehn Minuten, Isi.« Die Praktikantin verschwand, und er wandte sich wieder seiner Kollegin zu. »Wen habt ihr denn getroffen?«
    »Kriminalkommissar Stiller.«
    »Ach du Sch…« Tom schlug sich dramatisch die Hand vor den Mund. »Den Blechmann!«
    »Blechmann?«
    »Na, die Gestalt aus dem Zauberer von Oz !«
    Der Blechmann, der eiserne Holzfäller mit dem Trichter auf dem Kopf, erschien vor Laras innerem Auge, und sie musste trotz ihres Grolls lachen. »Das ist ein netter Vergleich, Tom. Er hinkt aber leider, weil der Wunsch, ein Herz zu besitzen, mit Sicherheit nicht zu Stillers sehnsüchtigsten Träumen gehört.«

    »Das hast du auch wieder recht. Ich werde über einen neuen Spitznamen nachdenken.« Tom schaltete seinen Computer aus, erhob sich und zeigte auf das Fenster. »Na, willst du nicht doch mitkommen? Draußen scheint die Sonne.«
    Wie auf Kommando schwang die Tür auf, und Isabell stolzierte erneut herein. Ihre Wangen glühten. Die Lippen hatte sie leuchtend pink angemalt, und so schnell, wie es gekommen war, verschwand Laras Verlangen nach Eis wieder. Sie schüttelte den Kopf. »Sorry, Leute. Ich bin noch nicht fertig hier.«
    »Alles klar. Komm, Isi.« Tom schien erleichtert. Er winkelte galant seinen Arm und reichte ihn der jungen Frau. Mit einem enervierenden Kichern hängte sie sich bei ihm ein, und beide marschierten hinaus.
    In Laras Kopf begann es zu pochen. Heute war Mittwoch. Tom hatte drei Tage Zeit gehabt, sich bei ihr für den Wochenenddienst zu bedanken, aber nicht ein einziges Wort darüber verloren. En Tauschangebot hatte er ihr auch noch nicht gemacht. Wenn er annahm, dass es inzwischen selbstverständlich sei, dass Lara jedes Mal einsprang, wenn er sich mit der Praktikantin oder irgendeiner anderen Tussi draußen herumtreiben wollte, hatte er sich geschnitten.
     
    Lara speicherte den Text und seufzte dann. Nun hatte sie eine geschlagene Stunde an den Zeilen gebastelt, und es gefiel ihr noch immer nicht, aber allmählich drängte die Zeit. Manche Tage waren wie verhext. Ihr Blick blieb am Fenster hängen. Die Lamellen teilten das Licht in Sonnenscheibchen. Hinter ihrer Stirn pulsierte ein Hammerwerk. Die Kopfschmerzen hatten sich schon heute Vormittag angeschlichen, und mittlerweile dröhnten sie wie eine Dampframme. Wie fast jeden Tag in den letzten Wochen. Lara griff nach der Wasserflasche. Flüssigkeitsmangel konnte auch eine Ursache sein. Oder
ihrem Gehirn fehlte einfach Sauerstoff. In den Redaktionsräumen war es im Sommer immer stickig, weil sie wegen des Verkehrslärms die Fenster geschlossen halten mussten. Dazu kam der scharfe Ozongestank des Kopierers. Lara schrieb »Komme gleich wieder« auf eine Haftnotiz, klebte diese an ihren Bildschirm und verließ die Redaktion.
    Unten stand Friedrich und rauchte. »Pause?« Er stieß einen perfekten Rauchring aus.
    »Nur zehn Minuten. Ich bin gleich wieder da.« Sie schwang den Taschenhenkel über die Schulter und ging; bemüht, bei jedem Schritt tief und langsam zu atmen. Die Sonne brannte heiß auf Schultern und Haare, und Lara wechselte auf die schattige Straßenseite hinüber.
    Vor der Apotheke blieb sie stehen und dachte darüber nach, ihren Aspirin-Vorrat zu ergänzen. Allerdings war es sicher nicht gesund, die dauernden Kopfschmerzen mit Tabletten zu bekämpfen. Besser, man ginge der Ursache auf den Grund. »Verdammt, der Arzttermin!« Jetzt führte sie schon Selbstgespräche. Das war kein gutes Zeichen. Schlagartig kam auch der Gedanke an einen möglichen Hirntumor wieder. »Das hatte ich doch glatt verdrängt.« Lara seufzte und ging weiter, während sie in ihrer Tasche nach dem Handy wühlte. »Na gut, überredet. Ich telefoniere mit dem Doc.«
    En vorbeischlendernder Mann sah die Frau mit den rotblonden Haaren seltsam an. Wahrscheinlich fragte er sich, mit wem sie da redete.
    Das Herz war von einem gelbweißen faserigen Gewebe umgeben, das an eine Art Beutel erinnerte. Der Mann schob die Ärmel des Kittels nach hinten und griff zum Skalpell. Dieses zähe Futteral um den Muskel musste weg. Er hätte es gleich
vor dem Einlegen entfernen sollen. Beim nächsten Mal. Dieses Herz diente ihm nur als Übungsobjekt, damit beim zweiten alles perfekt funktionierte.
    Während die kurze Klinge schnitt und schabte, dachte er über den heutigen Tag nach. Er hatte

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