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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Dame vom Boulevardmagazin war unerbittlich.
    »Kann schon sein. So genau kenne ich mich da nicht aus. Warum sonst hätte er den Bauch aufschneiden sollen?« Jetzt kam Herbert doch in Fahrt. »Tiere waren das jedenfalls nicht. Eine Brust hat gefehlt.« Gunnar bewegte sich seitwärts aus dem Bild. Starker Tobak für einen Jugendlichen. Wieso musste der Junge eigentlich dabeistehen, wenn seine Eltern den schrecklichen Fund noch einmal durchlebten? »Und Fliegen sind rumgeschwirrt, jede Menge Fliegen.«
    Frau Hellwig zerrte am Hemdsärmel ihres Mannes. Sie war ihrer Zunge wieder mächtig. »Das war furchtbar! Diese ekelhaften Brummer!« Es klang eher, als hätte sie es sensationell gefunden.
    Lara schluckte. Ihre Schleimhäute waren völlig ausgetrocknet. Während die Reporterin versuchte, weitere Einzelheiten aus dem Ehepaar herauszulocken, erhob sie sich und schaltete im Aufstehen den Fernseher ab. Es war ein Fehler gewesen, diese Sendung überhaupt anzusehen.
    Sie ging in die Küche, um sich einen Wein zu holen. Zielsicher strich ihre Handfläche über die Raufasertapete, fand den Lichtschalter. Die Fensterscheiben im Haus gegenüber waren von der untergehenden Sonne rotorange getönt. Entferntes Kindergeschrei drang von draußen herein. Mit vorsichtigen Schritten stakte sie zum Kühlschrank und öffnete die Tür. Die Weinflasche vom Wochenende war noch halb voll. Kühl und feucht schmiegte sich der Flaschenhals in ihre Rechte. Sie stellte den Wein neben die Spüle.
    Bedächtig glitt eine schmale Messerklinge über weiße Haut,
zog eine dunkle Linie nach sich, die sich alsbald zu einem schwarz klaffenden Maul öffnete, in dessen Schlund es schillerte und pulsierte. Die Szene wechselte urplötzlich. Jetzt schnitt das Messer in etwas Dunkelrotes, Festes, eine Pinzette kam hinzu, packte und zog.
    Lara spürte einen scharfen Schmerz im Unterleib und krümmte sich. Das Bild erlosch. Heiß rollte eine Träne über ihre Wange. Der Schmerz im Bauch blieb, wie ein ferner Nachhall, noch einen Moment länger und verblich dann auch. Ihre Finger hatten sich an der Spüle festgekrallt. Sie schniefte. Schloss die Augen und schüttelte den Kopf, um die Bilder loszuwerden. Eine Szene aus einem Film fiel ihr ein, in welcher die Sinnestäuschungen des Hauptakteurs durch eine Geschwulst im Gehirn hervorgerufen worden waren. Laras Halluzinationen bestanden nicht nur aus schemenhaft auftretenden Bildern, sondern kamen in Begleitung von Geräuschen, Gerüchen und körperlichen Reaktionen. Die Angst, selbst einen Gehirntumor zu haben, packte sie und schnürte ihr den Hals zu. Welche andere Erklärung konnte es sonst geben? Sie musste das Problem ihrem Hausarzt vortragen. Sofort löste sich der enge Ring um ihren Brustkorb. Lara betrachtete den gelbfunkelnden Wein. Sie hatte eingegossen, ohne es zu merken.
    Zurück im Wohnzimmer, ließ sie sich auf die Couch plumpsen, nahm einen tiefen Schluck und atmete mehrmals kräftig ein und aus. Die Abenddämmerung hatte den Raum in ein unwirkliches Fliederlila getaucht. Lara trank noch ein bisschen Wein, erhob sich und ging zum Fenster. Sie ließ die Farben kurz auf sich wirken und zog dann die Vorhänge zu. Und morgen begibst du dich zum Arzt. So kann das nicht weitergehen. Lara nickte sich selbst Mut zu und ließ den Kopf auf die Lehne sinken.

7
    Susann Weiß drückte die Glastür des Friseurladens auf und ging hinaus. Draußen schüttelte sie ihre blonden Locken zurecht und prüfte ihre neue Frisur noch einmal in den Glasscheiben, ehe sie mit schnellen Schritten davonstolzierte. Die Absätze klapperten auf den Gehwegplatten.
    Jetzt musste sie nur noch zu ihrem Arzttermin, danach einkaufen, und dann war endlich Feierabend. Es war ein anstrengender Tag gewesen, und eigentlich wollte Susann nur noch nach Hause. Zum Glück war die Arztpraxis nicht weit weg.
     
    »Hören Sie. Wir haben gerade sehr viel zu tun.« Die Sprechstundenhilfe hinter dem Anmeldetresen klang erschöpft. Der Mann ihr gegenüber behielt sein Lächeln, während sie weiterredete. »Ich würde dem Doktor gern Bescheid sagen, dass Sie mit ihm sprechen möchten, aber im Moment ist es schlecht.« Hinter Susann hatten sich inzwischen drei weitere Patienten angestellt. Eine dicke alte Frau stieß ihr mehrmals die über den Arm gehängte Handtasche in den Rücken. Eine zweite Arzthelferin flitzte zwischen Schrank und Anmeldung hin und her, sortierte die Karteikarten in ihrer Hand und ignorierte die Menschen hinter dem Tresen dabei

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