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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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sich – wie er es poetisch ausdrückte  – ein wenig umzuschauen. Die Uni war eine gute Idee gewesen.
    Der Computer war inzwischen so weit, und er wählte Google News Deutschland. Das Internet war mit aktuellen Meldungen immer am schnellsten. Seine Augen blieben an der obersten Schlagzeile hängen.
    … Erneuter Leichenfund. Diesmal in einem Waldstück bei Wernigerode … und 45 weitere Artikel …
    Man hatte Susann Weiß, oder besser gesagt, das, was von ihr übrig war, gefunden. Der Mann schluckte trocken, rief die Schlagzeile auf, ließ sich die Artikel nach Aktualität sortieren und wählte den ersten aus.
    …wurde die nackte Leiche der Toten in einem Waldstück bei Wernigerode in einer Erdmulde, notdürftig mit Zweigen und Blättern getarnt, gefunden. Die Leiche wurde mittlerweile geborgen. Kleidung und Schmuck sind bis jetzt verschwunden. Die Kriminalpolizei bittet um Mithilfe. Zeugen und Personen, die Hinweise zum Verbleib der Kleidung und der Schmuckstücke geben können, melden sich bitte beim nächsten Polizeirevier. Es ist nicht auszuschließen, dass der Täter diese in der Nähe weggeworfen hat. Informationen, die auf Wunsch auch vertraulich behandelt werden,
können außerdem unter folgender Telefonnummer angegeben werden …
    Er arbeitete sich schnell durch die anderen Artikel. Überall das Gleiche, zum Teil wortwörtlich. Schrieben die alle voneinander ab oder veröffentlichten sie einfach unkommentiert die ursprüngliche Meldung? Das war alles mehr als dürftig. Letztendlich spielte das jedoch keine Rolle. Sie schienen nichts Konkretes zu haben. Das war gut für ihn.
    Doctor Nex zog die Unterlippe zwischen die Zähne und fixierte den Bildschirm. Außerdem sollte man doch wenigstens Angaben machen, wie Kleidung und Schmuck in etwa aussahen, wenn die Leute schon gebeten wurden, danach Ausschau zu halten. Auch zum Zeitpunkt des Auffindens hatten sie nichts Genaues geschrieben. Er erhob sich.
     
    Im Keller roch es modrig. Die Härchen auf seinen Unterarmen richteten sich auf, und er beeilte sich, das Licht einzuschalten. Feine Mäusefüßchen huschten davon, und der Mann schüttelte sich. Die Kette an der Tür zu seinem ehemaligen »Bestrafungsraum« war fest verzurrt. Er hatte diesen Raum, seit Mutter tot war, nicht mehr betreten. Und das würde auch in Zukunft nicht geschehen. Für den Zwischenaufenthalt seiner Jagdbeute benutzte er den Vorratskeller. Da die Mädchen nie lange hier waren, lohnte es sich nicht, ein extra Verlies einzurichten.
    Der Mann ging zu den Regalen an der Rückwand des Kellers, drückte auf einen verborgenen Hebel, und ein Metallgestell klappte mit einem leisen Ächzen zur Seite. Die Wand dahinter schien auf den ersten Blick unversehrt. Nur wenn man richtig hinsah, konnte man den feinen Falz erkennen, der zwischen Boden und Ecke nach oben umlief. Es hatte ihn
viel Arbeit gekostet, dieses Versteck anzulegen, aber es war die Mühe wert gewesen. Noch ein Knopfdruck und die verborgene Tür schob sich auf. Dahinter kam ein zwei mal ein Meter großer Tresor zum Vorschein.
    Wie bei Edgar Wallace. Nur schöner! Doctor Nex hörte sein Kichern von den Wänden zurückprallen.
    Den Stoffbeutel über der Schulter stieg er wieder nach oben. Draußen wurde es allmählich dunkel. Sanft schnurrten die Jalousien herunter. Golden reflektierten die Schmuckstücke auf dem blauen Samtkissen das Licht der Küchenlampe. Der Ring rutschte gerade bis zur Mitte seines kleinen Fingers und blieb dort stecken. Er drehte den Finger hin und her und ließ den meergrünen Stein funkeln. Die Ohrringe trugen den gleichen Stein, nur kleiner. Kein Wunder, dass die Polizei am Tatort nichts gefunden hatte.
    Obwohl …
    Noch einmal durchlebte er die Ängste des vergangenen Wochenendes. Wenn die Bullen diese verdammte Kopffolie gefunden hätten, hätte ihn das im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf kosten können. Zum Abgleich fehlten ihnen zwar seine genetischen Daten, aber man konnte nie wissen.
     
    Und so war Doctor Nex in der Morgenstille des Samstags noch einmal aufgebrochen; getarnt als ein Wanderer, mit Rucksack, Wanderschuhen und Knotenstock, eine dicke Hornbrille im Gesicht, unter der Nase ein angeklebtes Bärtchen, unter dem Leib ein Sofakissen. Die Verkleidung war gut, barg allerdings die Gefahr, Spuren zu hinterlassen. Er seufzte leise. Da war er nun bei der Jagd immer so umsichtig, trug einen Latexanzug, Gummistiefel und Handschuhe, rasierte sich von Kopf bis Fuß, nur um keine Spuren zu

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