Ungeheuer
verabschiedete sich gleichzeitig von ihrem Freund und legte das stumme Telefon auf die Arbeitsplatte neben der Spüle.
Mark war erst nach langem Drängen damit herausgerückt, dass in dem gestrigen Päckchen erneut ein abgetrennter Frauenkopf gewesen war. Es bestürzte Lara noch immer, dass er inzwischen anscheinend starke Skrupel hatte, ihr seine Informationen zu verraten.
Bisher hatte es auch noch keine Berichte – weder im Radio noch im Fernsehen und auch nicht im allwissenden Internet
– gegeben. Die Kripo hatte zurzeit noch den Deckel auf der Sache.
Lara seufzte und ging, um sich endlich anzuziehen. Es war dem Seelenheil nicht zuträglich, wenn man den halben Tag im Nachthemd herumlief. Egal, ob und was berichtet wurde, sie wusste jetzt, was sich in dem Paket befunden hatte. Und egal, was Mark beteuerte, in ihrem Unterbewusstsein breitete sich das Gefühl einer lauernden Gefahr immer weiter aus.
»Zweiundfünfzig Euro dreißig.« Die Kassiererin hörte für eine Sekunde auf, an ihrem Kaugummi zu kauen, schob das Kartenlesegerät zu Lara hin und wartete dann, erneut wiederkäuend, bis diese ihre Geheimzahl eingegeben hatte. Ratternd erschien der Bon.
Der Mann hinter Lara wartete geduldig. Sie erhaschte im Gehen einen flüchtigen Blick auf millimeterkurz geschorene Haare und vergaß es sofort wieder.
Auf dem Parkplatz des Supermarktes blendete die Sonne. Der erhitzte Asphalt strömte einen Geruch nach Teer aus. Lara stapelte die Einkäufe sorgsam in die Klappkiste im Kofferraum. Saftkartons und fest verpackte Lebensmittel zuunterst, Obst und Gemüse obenauf. Dann schaffte sie den Einkaufswagen weg. Auf dem Gelände herrschte rege Betriebsamkeit. Mütter mit Kindern, Ehepaare, Rentner, ein paar allein einkaufende Männer. Es hatte den Anschein, dass jeder Einwohner der Stadt seine Wochenendeinkäufe am Samstagnachmittag erledigte.
Lara stieg ein und ließ sich abgestandene Luft um Hals und Brust wehen. Es dauerte einige Sekunden, bis der Windhauch aus der Klimaanlage merklich kühler wurde. Sie gab Gas und ordnete sich an der Ampel auf die Rechtsabbiegerspur ein.
En Ford Mondeo folgte ihr in einigem Abstand. Lara bemerkte
davon nichts. Ihre Gedanken kreisten um den kommenden Montag.
Mark hatte gesagt, sie solle ihn am späten Vormittag von der Redaktion aus anrufen und dabei darauf achten, dass Kollege Tom auch alles mithören konnte. Sie würden gezielt ein paar Falschinformationen besprechen, während Lara diese auf ihren USB-Stick speichern und diesen dann irgendwo für Tom erreichbar deponieren sollte. Irgendwann danach würde Lara ankündigen, die Redaktion zu verlassen, entweder zu einem Außeneinsatz oder zum Mittagessen. Das würde sich finden. Und auch alles Weitere würde sich finden.
Lara parkte vor dem Feinkostgeschäft und blieb noch einen Moment sitzen. Montag früh musste sie erst einmal ins Kreiskrankenhaus zur Computertomografie. Sie hatte ein bisschen Angst vor der Röhre und noch mehr davor, dass die Ärzte auf dem Computerbild Anomalien in ihrem Gehirn feststellten. Während sie im Laden verschwand, fuhr ein silberner Ford langsam an ihrem Mini Cooper vorbei.
Doctor Nex tupfte die Lippen mit der weißen Leinenserviette ab, lehnte sich zurück und faltete die Hände, als wolle er beten. Seine Lara war mit einer Freundin im Kino um die Ecke, und er hatte die Gelegenheit genutzt, ein stilvolles Abendessen zu genießen. Die erdbeerblonde Schönheit würde ihm nicht entwischen, die Spätvorstellung ging mindestens bis halb zwölf.
Das Essen hier war exzellent. Teurer als anderswo, aber das war es wert. Er winkte dem Kellner und bestellte noch ein Glas von dem südafrikanischen Shiraz. Allmählich kroch ihm die Müdigkeit in den Körper, der Tag war lang und aufregend gewesen. Im Mund breitete sich der fruchtig-würzige
Geschmack des Rotweins aus, während er über die Aktivitäten des Samstags nachdachte.
Lara Birkenfeld war eine leichtsinnige Frau. Ihre Adresse stand im Telefonbuch, jeder konnte ihr Haus finden. Sie fuhr ein auffälliges Auto und achtete nicht auf eventuelle Verfolger. Irgendwann würde ihr das zum Verhängnis werden. Vielleicht schon bald. Der vorbeieilende Kellner erwiderte das Grinsen des Mannes am Tisch.
Er schmeckte das Tannin und dachte darüber nach, noch ein drittes Glas zu bestellen, entschied sich aber dagegen. Es gab noch Verschiedenes zu tun, und er wollte einen klaren Kopf behalten. Außerdem musste er noch fahren. Wieder lächelte Doctor Nex. In
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