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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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heraus, meine Beste. Er war mit deinen Initialen unterzeichnet.«
    »En Kollege hat ihn verfasst, ich schwöre es!« Sie wimmerte fast ein bisschen. Er fand Jammern erbärmlich. »Weißt du was?« En erneuter Stoß gegen ihren Hinterkopf. Fester dieses Mal. »Das ist jetzt auch egal. Es stand in eurem Wurstblatt, und jeder hat dieses Pamphlet gelesen. Das fanden wir sehr, sehr ärgerlich.« Wie immer, wenn er sich aufregte, ging er zum Pluralis Majestatis über. »Und es bedarf einer umgehenden Richtigstellung. Unsere vorhergehenden Nachrichten habt ihr ja nicht ernst genommen.«
    »Ich hatte darauf keinen Einfluss. Bitte!« Das Wimmern wurde zu einem Flehen. »Haben Sie ein Einsehen! Ich habe Ihnen doch nichts getan.«
    »Als ob das eine Rolle spielen würde, Dummchen. Mittlerweile ist das völlig unwichtig geworden. Nachdem wir dich das erste Mal gesehen haben, wussten wir, dass du die Richtige bist. Du gefällst uns nämlich außerordentlich, süße Lara!« Er drehte den Rollstuhl, sodass er sie während des Sprechens ansehen konnte. Zwei schwarzbraune Schlieren waren von den getuschten Wimpern über die Wange gelaufen. »Heulen nützt da auch nichts. Wir wollen sehen, wie wir den angerichteten Schaden wiedergutmachen können. Und du wirst uns dabei helfen! Hast du verstanden?« Er musste nicht erst die
Hand heben. Sie nickte, die Augen noch immer weit aufgerissen, die Pupillen stecknadelkopfgroß.
    »Und damit du mir auch glaubst, werde ich dir jetzt mein Kunstwerk zeigen. Ich weiß nicht, ob dein beschränkter Geist begreift, welche Kunstfertigkeit darin steckt, aber versuchen wir es wenigstens. Und vielleicht wird dir dann auch klar, dass man nicht einfach Dinge erfinden und veröffentlichen kann, wie es einem beliebt, sondern immer gründlich recherchieren muss. Insbesondere, wenn es um Kunst und Urheberrechte geht.«
     
    Stufe für Stufe zog er den Rollstuhl abwärts. Seine Freundin stierte nach oben, zum kleiner werdenden Lichtviereck. Wie gut, dass er Mutters altes Gefährt aufbewahrt hatte! Zusätzlich zu den Fesseln war ein bisschen Muskelschwäche ganz nützlich, und so hatte er ihr erneut ein Betäubungsmittel eingeflößt. Er konnte es sich nicht leisten, Lara so weit zu Kräften kommen zu lassen, dass sie eventuelle Fluchtgedanken in die Tat umsetzen konnte.
    Sein Kunstwerk schien ihr nicht richtig gefallen zu haben. Sie hatte ein Geräusch gemacht wie ein kleiner Vogel, den man in der Hand zerdrückt und dann den Kopf zur Seite gedreht. Das hatte ihn nicht gerade erheitert. Gut, nicht viele besaßen den Verstand, Großes zu begreifen, aber ein wahrer Künstler hoffte immer auf Interesse.
    Nun schlief sie schon fast wieder. Zum Abschied strich er ihr über das feine Haar. »Auf die Toilette kann ich dich leider nicht bringen, Süße. Das wäre mir unangenehm und auch zu anstrengend. Sieh zu, wie du damit klarkommst. Du kannst es anhalten oder machst in die Hose. Mir egal.« Mit diesen Worten löschte er das Licht und verließ den Raum.
    Die Regentropfen prasselten auf die Windschutzscheibe des Ford Mondeo, kaum dass der Scheibenwischer von rechts nach links geglitten war. Das war das richtige Wetter, um einen kleinen Abendbesuch in der Redaktion zu machen. Niemand, der nicht etwas Dringendes zu erledigen hatte, würde nach draußen gehen.
    Leise surrend zirkelte der silberne Wagen die steilen Kurven nach oben. Er hatte sich für das Parkhaus entschieden, weil die Gefahr, jemandem aufzufallen, hier geringer war. Bis zum Zeitungsgebäude war es nicht weit. In einer dämmrigen Ecke des Treppenhauses kontrollierte er seine Verkleidung und marschierte, die Aktentasche unter dem Arm, los. Er musste sich beeilen. Laut Lara blieb die Spätschicht bis etwa einundzwanzig Uhr, danach war niemand mehr in der Redaktion. Um noch einen Artikel in die morgige Ausgabe zu bringen, würde er ihn bis spätestens zweiundzwanzig Uhr abspeichern müssen, hatte Lara gesagt. Danach wurde gedruckt. Leider gab es keine Möglichkeit, von außen auf die internen Seiten der Tagespresse zu kommen. Um seinen Artikel einzustellen, musste er an Laras Redaktionscomputer sitzen. Verwegen zwar, aber gleichermaßen reizvoll.
     
    Finster erwartete das große Haus seinen ungebetenen Besucher. Er benutzte den Seiteneingang. Der Schlüssel, den er Lara abgenommen hatte, passte. Eine Alarmanlage gäbe es nicht, hatte sie gesagt. Er hoffte für sie, dass ihre Angaben stimmten.
    Der Lichtkegel der Taschenlampe eilte ihm die Stufen voraus.

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