Ungestüm des Herzens
daran ließ sich nichts ändern. Wenn sie ihre Bluse jetzt schnell zuknöpfte, machte sie damit nur alles schlimmer.
Adrien redete immer noch auf den Fremden ein, und schließlich drehte sich Hank Chavez zu ihm um. Samantha hörte nicht zu. Sie nahm ihren Fächer zur Hand, hielt ihn vor ihre Bluse und knöpfte verstohlen einen Knopf zu. Doch weiter kam sie nicht, ehe diese grauen Augen wieder auf sie fielen. Sie ließ die Hände auf den Schoß sinken. Nur er wußte, was vorgefallen war, und sein Blick wanderte an die Stelle, an der ein kleiner Spalt zu sehen gewesen war. Dann sah er ihr in die Augen. Er schien sie dafür zu schelten, dass sie ihm den Ausblick verwehrte, den er so sehr bewundert hatte.
Unter seinen andauernden Blicken wurde es Samantha warm, und sie schloss die Augen. Sie wollte schlafen oder notfalls auch so tun, als schliefe sie, doch sie würde Hank Chavez nicht mehr ansehen, ganz gleich, was geschah.
6
Die Dämmerung brach herein, doch die Kutsche holperte weiter. Der nächste Halt war noch etliche Meilen entfernt. Hanks Knöchel pochte, und er sehnte sich danach, seine Stiefel auszuziehen, aber damit würde er warten müssen, bis sie anhielten.
Er hatte mehr als eine Meile humpeln und den Sattel schleppen müssen, um zu der Strecke zu kommen, die die Postkutsche nahm. Zehn Minuten später, und er hätte sie ver pass t. Er fragte sich, ob er die ganze Strecke bis Elizabethtown mit der Postkutsche fahren sollte, damit sein Knöchel eine Chance hatte, sich zu erholen, oder ob er versuchen sollte, sich in der nächsten Stadt ein Pferd zu kaufen. Als er die Frau ansah, die ihm gegenübersaß, entschloss er sich, nicht gleich ein Pferd zu kaufen.
Was für eine faszinierende Frau sie war, selbst im Schlaf. Die Blonde war unbestreitbar schön, doch die Dunkelhaarige war der Inbegriff des Liebreizes. Sie erinnerte ihn an das Mädchen in Denver, das Mädchen mit dem Revolver. Alles an ihr erinnerte ihn an dieses Mädchen, aber er hatte sie nur im Profil und aus großer Entfernung gesehen. Dieses Mädchen hier war wesentlich reifer. Ihr Haar war elegant frisiert, und sie wirkte älter. Er schätzte sie auf zwanzig - eine ausgewachsene Frau.
Ihre zarte weiße Haut konnte daher kommen, dass sie aus dem Osten kam. Vielleicht mochte sie aber auch einfach nur keine Sonne. Dennoch wußte sie etwas über Mexiko, denn sie hatte sich nicht in seiner Abstammung getäuscht. Seine Mutter, eine Amerikanerin, hatte englische Vorfahren gehabt. Sie war es die ihm den Namen Hank gegeben hatte, den sein Vater später in Enrique umgewandelt und dem Namen noch Beträchtliches hinzugefügt hatte. Sein Vater war ein mexikanischer Spanier gewesen, wenngleich auch wenig mexikanisches Blut in seinen Adern geflossen war. Hanks Urgroßvater war ein halber Mestize gewesen und hatte eine spanische Doña geheiratet, und ihr Sohn Victoriano hatte in die Familie Vega eingeheiratet, die kurz vorher aus Spanien gekommen war.
Hanks Gedanken weilten nicht mehr oft bei seinen Vorfahren: Bis auf seine ältere Schwester waren alle, die ihm lieb gewesen waren, tot. Doch Samantha Blackstone hatte ihn wieder an seine Familie denken lassen. Wie neugierig die junge Dame war! Adrien Allston war sicher schockiert gewesen. Hank dagegen störte sich nicht daran. Er bewunderte es, wenn eine Frau keine Angst hatte, das zu sagen, was sie dachte, oder ihre Neugier zu befriedigen.
Er konnte seinen Blick nicht von ihr losreißen. Lange braune Wimpern spielten auf ihren Wangen, und im Schlaf war ihr ein kurzes Löckchen auf die Schläfe gefallen, das im Schein der Lampe rot schimmerte. Genüsslich rief er sich ihre Verlegenheit ins Gedächtnis zurück, als sie ihn dabei ertappt hatte, ihre vollen Brüste zu bewundern. Er hatte ihre Verlegenheit ausgekostet, und es hatte ihm gefallen, dass sie seinetwegen errötet war. Wenn er sie zum Erröten bringen konnte, stand sie ihm nicht gleichgültig gegenüber.
Er stand ihr gewiss nicht gleichgültig gegenüber. Auf gewisse Weise erinnerte sie ihn an Angela, obwohl sich die beiden äußerlich, abgesehen von der Tönung ihres Haares, nicht ähnlich waren. Auch Angela hatte er leicht zum Erröten bringen können. Er konnte sich daran erinnern, wie knallrot ihr Gesicht geworden war, als er beim Überfall auf die Postkutsche ihr Mieder nach Wertsachen durchsucht hatte. Sie hatte ihm eine kräftige Ohrfeige gegeben, und er hatte sich genötigt gesehen, diese Ohrfeige mit einem Kuss zu beantworten, von dem er
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