Ungestüm des Herzens
sollte nicht unsere Sache sein, uns selbst zu beschützen, Chérie . Ich habe mir schon ernstlich überlegt, ob ich nicht bei Adrien bleibe, um nicht jeden Tag hinausreiten zu müssen.«
»Du willst in einem Zelt schlafen? Sei nicht albern, Jeannette . Du unterschätzt die Unbequemlichkeiten.«
»Aber ich würde mich wohler fühlen und mich weniger fürchten. Vielleicht brauche ich mich nicht mehr zu fürchten, wenn es mir gelingt, deinen Freund zu überreden, dass er uns täglich begleitet, bis er die Stadt verlässt .«
»Hank Chavez ist nicht mein Freund!« wandte Samantha mit scharfer Stimme ein. »Und morgen kannst du allein mit ihm rausreiten. Ich will ihn nicht sehen.«
»Nein, nein, ich könnte nicht allein mit ihm rausreiten.«
»Du hast doch gesagt, dass du dich bei ihm sicher fühlst«, hob Samantha hervor.
»Nur, wenn du auch dabei bist. Du muss t mitkommen. Adrien würde dich vermissen, wenn du nicht mitkämest .«
Unter diesem Gesichtspunkt willigte Samantha ein. Das mit Hank Chavez war ohnehin albern. Sein Interesse an ihr war sicher verflogen. Seit der Ankunft in Elizabethtown hatte er keinen Versuch unternommen, sie zu sehen. Sie hatten sich heute abend rein zufällig getroffen.
»Ich werde wohl doch mitkommen«, sagte Samantha, als die beiden jungen Frauen vom Tisch aufstanden. »Und außerdem«, fügte sie mit einem schelmischen Lächeln hinzu, »wird Adrien vielleicht eifersüchtig, wenn er mich mit Mr. Chavez sieht.«
Jeannette seufzte. Die arme Samantha. Wenn sie nur gewusst hätte, wie vergeblich ihre Bemühungen waren. Sie hoffte um Samanthas willen, dass Hank Chavez feurig genug war, um sie Adrien vergessen zu lassen, denn die Liebe ihrer Freundin zu Adrien konnte zu nichts führen.
10
Elizabethtown kam nie zur Ruhe. Vom frühen Morgen an waren dort Aktivitäten im Gange, und das Gewimmel und der Lärm setzten sich die ganze Nacht lang in den Saloons und den Spielhallen fort. Es gab große Zelte zum Spielen und zum Trinken, die eigens von ehrgeizigen Unternehmern aufgestellt worden waren, um den Goldgräbern das Gold abzuluchsen.
An ihrem sechsten Tag in Elizabethtown wurde Samantha durch den lauten Morgenverkehr früher wach als gewöhnlich. Sie entschloss sich spontan, ihrem Äußeren mehr Sorgfalt als sonst zu widmen. Sie weichte sich länger als nötig in dem zu kleinen Badezuber ein und wusch sich ihr Haar zweimal mit ihrer besonderen Rosenseife. Anschließend bürstete sie es, bis das lange, dichte Haar funkelte und glitzerte. Sie steckte es kunstvoll hoch und ließ nur zwei kurze Löckchen auf ihre Schläfen fallen. In Verbindung mit ihrem kecken beigen Hut, der fast keine Krempe hatte, würde die Wirkung verblüffend sein. Die sechs dunkelgrünen Bänder fielen ihr bis auf den Rücken. Der Hut pass te blendend zu ihrer Reitkleidung aus hellgrünem Samt.
Im Reitstall suchte sich Samantha die graue Stute aus, an die sie bereits gewohnt war. Es war ein behutsames, sanftes Tier, das ihr keinen Ärger machen würde. Sie legte keinen gesteigerten Wert darauf, Hank mit ihrem exzellenten Reiten zu beeindrucken.
Wenig später gesellte er sich zu ihnen. Bis auf sein Halstuch aus blauer Seide und ein blaugemustertes Hemd war er ganz in Schwarz. Er sah außerordentlich verwegen aus, und Samantha erwiderte seine warme Begrüßung mit einem fröhlichen Lächeln.
Auf dem Ritt ins Tal sprachen sie nicht miteinander. Als sie Adriens Lager erreichten, nahm Samantha augenblicklich wahr, dass Adrien nicht erfreut war, sie mit Hank zu sehen. Er behandelte sie grob unhöflich und richtete kaum ein Wort an einen von ihnen.
Samantha war verlegen, und sie machte einen Spaziergang. Jeannette hatte sich zu ihrem Bruder gesetzt. Hank stand bei den Pferden. Er dachte gar nicht daran, Samantha zu folgen. Sollte sie ruhig noch ein bisschen schwitzen. Er konnte warten. Er hatte bereits fünf Tage verstreichen lassen, ohne einen Versuch zu unternehmen, sie zu sehen. Sie muss te wissen, dass sie mit ihm nicht spielen konnte.
Er hatte sie vermisst und seine Zeit damit zugebracht, zu spielen. In einer Hinsicht hatte Pat recht gehabt. Beim Kartenspiel war das Glück auf seiner Seite. Er hatte weit mehr erreicht, als sein Geld nur zu verdoppeln. Dennoch hatte er noch nicht genug Geld, um seine Ländereien zurückzukaufen, doch er fühlte sich reich. Soviel Geld hatte er nie gehabt. Und wer weiß? Wenn Samantha ihn lange genug hier festhielt, würde er vielleicht weiterhin gewinnen, bis er genügend
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