Ungestüm des Herzens
»Aber wie ich schon sagte, hat sich Ramón Baroja zu einem schönen ... Mann entwickelt, und ich glaube, dass du überrascht sein wirst, wie sehr er sich verändert hat. Er muss fünfzehn Zentimeter gewachsen sein, seit du von hier fortgegangen bist.«
»Und wie geht es seiner Familie?«
»Gut.«
Maria murrte. »Sehr gut sogar, wenn man bedenkt, dass sie nicht den Ärger hatten, den wir hatten ... «
Hamilton räusperte sich hörbar und schnitt ihr das Wort ab. »Ich könnte einen Schnaps vertragen, Maria.«
»Welchen Ärger?« fragte Samantha Maria.
Ihr Vater antwortete eilig. »Nichts von Bedeutung. Ein paar Rumtreiber haben einige Tiere getötet. Solche Dinge sind schon öfter vorgekommen.«
Samantha sah Maria an, die den Kopf schüttelte, während sie den Schnaps holte. Was ging hier vor? Die Hühner ... die Mine ... Rinder, die vermisst wurden ... totes Vieh. Und dennoch tat ihr Vater all das als bedeutungslos ab. Tat er es wirklich? Hatte all das wirklich nichts weiter zu bedeuten, oder wollte er nur nicht, dass sie sich Sorgen machte?
» Ramón kommt wahrscheinlich morgen vorbei, um dich zu begrüßen«, sagte Hamilton. Er kicherte in sich hinein. »Er ist jetzt jeden zweiten Tag hiergewesen. Ich glaube, er traut mir nicht, dass ich auch wirklich Bescheid gebe, wenn du kommst.«
»Warum ist er denn so darauf versessen, mich zu sehen?«
»Nun ja, du hast ihm gefehlt. Verstehst du, er ist noch nicht verheiratet.«
»Das klingt ganz so, als seist du ein Kuppler, Vater.« Samantha grinste verschmitzt. »Ich nehme an, du hättest nicht das geringste einzuwenden, wenn ich Ramón heiraten sollte?«
»Ich glaube, dass er einen guten Ehemann abgibt, ja, das stimmt. Aber du brauchst nicht gleich aufzubrausen, Sam«, fügte er hinzu. »Ich habe nicht vor, dir zu erzählen, wen du heiraten sollst. Ich erwarte von dir, dass du dich von deinen Gefühlen bestimmen lässt .«
»Mir liegt nichts ferner als eine Heirat«, sagte Samantha. In ihrer Stimme lag ein Hauch von Erbitterung, doch so verdeckt, dass ihr Vater nichts merkte.
»Es freut mich, das zu hören«, erwiderte er. »Schließlich bist du gerade erst wieder zu mir nach Hause gekommen. Ich würde dich nur ungern allzu bald wieder verlieren, querida.«
»Nenn mich nicht so!«
Hamilton blickte auf. Die Schärfe ihres Tonfalls überraschte ihn. »Was?«
»Ich habe gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst«, fauchte sie, um dann zu seufzen: »Oh, Vater, es tut mir leid. Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist.«
Sie war schockiert. Wie muss te das geklungen haben! Sie ließ zu, dass Hank Chavez ihr die Heimkehr verdarb. Ihr Vater würde nicht verstehen, warum sie diese Liebkosung nicht mehr hören wollte, und sie wollte auch gar nicht, dass er es verstand. Er sorgte sich ohnehin schon viel zu sehr um ihr Wohlergehen. Wenn er erführe, was sie mit sich geschehen hatte lassen, wäre er untröstlich gewesen. Und sie hatte es geschehen lassen, rief sie sich in aller Grausamkeit ins Gedächtnis zurück. Sie hatte sich von ihm liebkosen lassen. All das hatte sie zugelassen - und dann war es zu spät gewesen, um alles übrige noch aufzuhalten.
»Ich muss wohl müde sein. Ich weiß nicht, was ich sage.« Samantha bemühte sich, eine Entschuldigung für ihren Ausbruch zu finden. »Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen, weil ich so aufgeregt war, wieder nach Hause zu kommen.«
Ihr Vater nickte. »Und ich halte dich bis in die Nacht hinein wach. Geh ins Bett, Sam.«
»J a, das werde ich wohl tun.« Sie beugte sich zu ihm hinunter und küss te ihn.
»Wir sehen uns morgen früh.« Er drückte ihre Hand, ehe er sie gehen ließ. »Gute Nacht... Sammy.«
Als sie ging, war sie wütend auf sich selbst, und dabei hätte sie glücklich sein sollen, dass sie wieder zu Hause war. Sie ließ zu, dass Hank Chavez sie wie ein Spuk heimsuchte. Schließlich hatte ihr Vater sie doch immer querida genannt, wenn er ihr gute Nacht gesagt hatte. Und jetzt durfte er das nicht mehr sagen - und das wegen Hank Chavez!
13
Froilana Ramirez weckte Samantha und brachte ihr frisches Wasser ins Zimmer. Marias jüngste Tochter war dreiundzwanzig und unverheiratet, obwohl viele Männer um ihre Hand angehalten hatten. Sie wartete auf den richtigen Mann, >den, der mir die Füße vom Boden zieht und mich fortträgt<. So hatte sie es Samantha immer wieder ganz im Ernst erzählt.
»Er muss sehr stark und sehr schön sein. Er muss mich vor lauter Liebe ohnmächtig
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