Ungestüm des Herzens
dass ich es gar nicht mehr erwarten kann, mich reinzusetzen. Wir sehen uns später, Vater.« Sie küss te ihn auf die Wange. »Oh, es ist so schön, wieder zu Hause zu sein.«
Samanthas weißgetünchtes Zimmer mit der hohen Decke heiterte sie wie immer auf. Es war alles genauso, wie sie es zurückgelassen hatte, geräumig, ordentlich und spärlich möbliert. Die Kleidungsstücke, die sie zurückgelassen hatte, würden ihr noch passen, wenn sie die Säume ein wenig herausließ. Dennoch hatte sie eine neue Garderobe aus dem Osten mitgebracht und würde die alten Kleider wahrscheinlich bis auf ihre Reitkleidung weggeben.
Auf dem schmalen Bett lag immer noch die alte karierte Decke, die ihr so gut gefiel. Die Einrichtung war nicht verspielt. Es gab eine schlichte Eichenkommode, und die Tische neben ihrem Bett waren frei von weiblichem Firlefanz. Nichts an der Ausstattung dieses Zimmers wies darauf hin, dass es einem jungen Mädchen gehörte, denn dieses Mädchen war ein Lausejunge gewesen, der weibliche Verzierungen ablehnte.
Jetzt würde sie eine Frisierkommode in ihr Zimmer stellen und vielleicht auch Spitzenvorhänge vor die Fenster hängen. Dazu würde ein großer Spiegel, in dem sie sich ganz sehen konnte, und sogar ein paar Deckchen für den Tisch kommen. Sie hatte sich nicht allzu sehr verändert, doch sie leugnete nicht mehr, dass sie eine Dame war. Sie konnte nicht für den Rest ihres Lebens gegen eine Kindheit aufbegehren, die sie mit einer übermäßig strengen Großmutter verbracht hatte. Andererseits würde sie aber auch ihre Freiheit nicht aufgeben.
Das Abendessen war ein Genuss . Maria hatte sich selbst überboten. Es gab spanischen Reis mit dicken Steaks und Paprika und frijoles, die köstlichsten Bohnen, die verdrückt und mit Speck gebraten wurden. Maria servierte außerdem enchiladas und quesadillas, und Samantha stürzte sich auf die verschieden zubereiteten tortillas. Sie hatte Marias mexikanische Küche sehr vermisst , und sie beschloss augenblicklich, Maria mitzunehmen, wenn sie je wieder von zu Hause fortgehen sollte.
Nach dem Abendessen zogen sie sich in das gemütliche Wohnzimmer zurück, das an den Patio grenzte. Samantha bestand darauf, dass Maria ihnen Gesellschaft leistete. Die alte Frau gehörte für Samantha zur Familie, wenngleich sie auch eigene Kinder und Manuel, ihren Mann, hatte.
Samantha erzählte nur kurz von der Schule, denn sie hatte bereits das meiste nach Hause geschrieben. Maria und ihr Vater interessierten sich mehr für ihre Heimreise und für die Allstons. Doch Samantha konnte sich nicht begeistert zu ihrer Reise äußern, und sie berichtete nur sehr allgemein über Jeannette und Adrien. Ihr Vater stellte viele Fragen nach den beiden, doch sie ließ mit keinem Wort verlauten, dass ihre Gefühle für Adrien weitergegangen oder gar gründlich verletzt worden waren. Sie sprach abwertend von Elizabethtown, doch das schrieb ihr Vater der primitiven Atmosphäre von Goldgräbersiedlungen zu.
Den dunkelhaarigen, gutaussehenden Fremden, den sie auf ihrer Reise kennengelernt hatte, erwähnte Samantha nicht. Sie wollte nicht über ihn oder über ihre Schande sprechen, es sei denn, man fand ihn und sie muss te erklären, warum sie ihn identifizierte.
Dann kam die Reihe an sie, Fragen zu stellen und sich darüber zu informieren, was zu Hause vorgefallen war. Unter den Vaqueros und ihren Familien waren eine Hochzeit und vier Geburten zu verzeichnen. Eine der Kupferminen war stillgelegt worden, weil es dort zu viele Unfälle gegeben hatte. Kürzlich waren Rinder auf der Weide vermisst worden, nichts Ernstes, und wahrscheinlich lag es nur daran, dass zu wenige Arbeiter auf der Ranch gewesen waren, während Samanthas Eskorte unterwegs war. Es war zu Ausbauten und zu Reparaturen an den Gebäuden gekommen, Kleinigkeiten, nichts von Bedeutung.
Ihr Vater wechselte das Thema.
»Don Ignacios Sohn ist oft hier gewesen und hat sich nach dir erkundigt, Sammy.«
»Ramón?«
»J a, er ist ein hübscher Junge geworden.«
»Du meinst wohl, ein Mann?« hob Samantha hervor. » Ramón ist mehrere Jahre älter als ich.«
Hamilton zuckte die Achseln. »Ich habe ihn heranwachsen sehen, Sammy. Es ist dasselbe wie mit dir. Du bist immer noch mein kleines Mädchen. Es fällt mir schwer, dich als ausgewachsene Frau anzusehen.«
»Ich komme mir auch immer noch wie dein kleines Mädchen vor. Vielleicht können wir einfach manchmal vergessen, dass ich erwachsen bin.«
»Einverstanden.« Er kicherte.
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