Ungestüm Wie Wind Und Meer
Teil von ihm es gewusst hatte, er aber die Wahrheit nicht hatte sehen wollen, vergrub er tief in seinem Inneren.
»Amys Busenfreundin«, bestätigte George mit schwer missbildender Stimme. »Miss Kathryn Cranmer. Kit für enge Freunde.« George ließ sich in seinen Stuhl sinken. Sie ist Christopher Cranmers Tochter, Spencers Enkelin.« George betrachtete interessiert Jacks Mienenspiel. »Seine leibliche Enkelin.«
Spencers leibliche Enkelin. Der Gedanke wirbelte blendend hell durch Jacks Bewusstsein. Schock kämpfte mit Fassungslosigkeit, bis schließlich der Drang überhandnahm, Kit zu packen und sie, verdammt noch mal, durchzuschütteln, wie sie es verdiente. Wie konnte sie es nur wagen, sich solchen skandalträchtigen Risiken auszuliefern? Spencer hatte sie ganz eindeutig nicht im Griff. Jack nahm sich fest vor, seiner rothaarigen Schönheit in Hosen - die nie wieder Hosen tragen würde - klarzumachen, welches Ausmaß ihre Verfehlungen inzwischen erreicht hatten. Sie würde lernen müssen, sehr gut auf sich - auf ihren guten Ruf - zu achten. Er, Lord Hendon, konnte darauf bestehen, dass die zukünftige Lady Hendon sich bedeckt hielt
Das nämlich war die Krönung von Georges Eröffnungen: Als Miss Kathryn Cranmer kam Kit mehr als jede andere in Frage, die zu besetzende Stelle einer Lady Hendon zu übernehmen. Und angesichts ihrer letzten Aktivitäten dachte er nicht daran, sie durch seine Netze schlüpfen zu lassen. Er hatte sie genau da, wo er sie haben wollte - in mehr als einer Beziehung. Nach der anliegenden Unternehmung heute Nacht würde er Spencer aufsuchen. Unter Männern sollte dann das Schicksal einer gewissen rothaarigen Schönen besiegelt werden.
Ein Lächeln freudiger Erwartung stahl sich auf Jacks Züge.
George bemerkte es wohl und seufzte schwer. »Deinem schwärmerischen Gesicht nach zu urteilen gehe ich wohl recht in der Annahme, dass die Affäre zwischen Kit und dir viel weiter gediehen ist, als mir lieb sein kann?«
Jack grinste voller Glückseligkeit.
»Barmherziger!« George fuhr mit einer Hand durch sein dunkles Haar. »Hör um Himmels willen auf zu grinsen. Was zum Teufel willst du jetzt tun?«
Jack blinzelte. Sein Lächeln versiegte. »Dumme Frage. Ich heirate das verflixte Weib, was sonst?«
George starrte ihn sprachlos an.
Jack schluckte seinen Zorn darüber hinunter, dass George etwas anderes hätte erwarten können. Dass George geglaubt hatte, für ihn, Jack, hätte es je eine andereRegelung gegeben! Das alles war nur Kits Schuld. Frauen, die in Hosen herumliefen, waren nun mal Freiwild. Wenigstens wusste bisher nur George, wer sie war. Dann traf es ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. »Seit wann weißt du, dass sie eine Frau ist?«
George blinzelte und hob sie Schultern. »Ungefähr seit einer Woche.«
Verdutzt fragte Jack: »Wodurch hat sie sich verraten?«
»In erster Linie hast du sie verraten«, erwiderte George versonnen.
»Wieso ich?«
Jacks angriffslustiger Tonfall holte George in die Gegenwart zurück. Er lächelte verhalten. »Dein Verhalten Kit gegenüber ließ nur diesen einen Schluss zu. Vermutlich sind die anderen Bandenmitglieder darauf reingefallen. Aber Matthew und ich kennen dich besser. Und deshalb haben wir uns Gedanken über Kit gemacht.«
»Hm.« Jack nahm einen herzhaften Schluck Brandy. Ob die anderen auch schon etwas ahnten? Seit er sie als seine künftige Frau betrachtete, sah er Kits Ungestüm in einem völlig anderen Licht.
Jack blickte auf und sah, dass sich die Dämmerung senkte. Gleich nach Einbruch der Dunkelheit wollten er und seine Bande wieder zur Tat schreiten. Hoffentlich war Kit zur Stelle. Nachdem er nun von ihrer exponierten Stellung wusste, wollte er sie sicher unter seinen Fittichen wissen. Wie er sie wieder in Cranmer Hall abliefern und wie er sich dem Gespräch mit ihrem Großvater stellen sollte, wusste er jetzt noch nicht. Aber heute Nacht wollte er sie bei sich haben. Er wollte ihr gehörig die Meinung sagen, sich entschuldigen, ihr einen Antrag machen - und mit ihr schlafen. Die Reihenfolge war nicht festgelegt - die überließ er den Göttern.
Einundzwanzigstes Kapitel
Ein steifer Nordost peitschte über die Klippen, als Kit schließlich die Küste erreichte. Dunkle Wolken huschten immer wieder über den Mond. Im wechselnden Licht entdeckte sie die Hunstanton-Bande, die bereits die Boote entlud. Die Packpferde standen schon auf dem Strand bereit Die Flut kam herein, das Donnern der Brandung übertönte alle anderen
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