Ungestüm Wie Wind Und Meer
irgendwo eine Perücke herumliegen. Wenn ich die aufsetze, wird mich niemand so schnell erkennen, oder?«
Auf Jacks fragenden Blick hin nickte George wortlos. Jacks Größe war ungewöhnlich, würde ihn aber, wenn er sein Haar verbarg, nicht verraten. Allerdings ... George musterte Jacks Gestalt hinter dem Schreibtisch. Im nördlichen Norfolk gab es nicht viele Männer von Jacks Körperbau, doch er war klug genug, es nicht anzusprechen. Jack tat sowieso, was er wollte, ohne Rücksicht auf derartig unbedeutende Probleme. Der Erfolg seiner Verkleidung würde von der Beobachtungsgabe der Damen aus der Umgebung abhängen. Und die meisten hatte Jack seit zehn oder mehr Jahren nicht gesehen.
»Wer weiß?« überlegte Jack. »Womöglich gefällt eine der Damen mir tatsächlich. « George starrte ihn an. »Heißt das, dass du allen Ernstes ans Heiraten denkst?« Es klang mehr als ungläubig.
Jack winkte lässig ab, als handelte es sich um eine völlig unsinnige Frage. »Irgendwann muss ich ja wohl, und sei es nur wegen der, Erbfolge. Glaub aber nicht dass ich allzu versessen darauf wäre, deinem Beispiel zu folgen. Die Ehe ist und bleibt ein verdammt"" riskantes Unterfangen.«
George war beruhigt und nahm die sich selten bietende Gelegenheit wahr Jack zu diesem sonst so gemiedenen Thema zu befragen. »Welche Art von Frau stellst du dir denn so als Gattin vor?«
»Ich?« Jack riss die Augen auf. Er dachte nach. »Vermutlich würde es das Zusammenleben leichter gestalten, wenn sie wenigstens halbwegs hübsch und in der Lage wäre, beim Frühstück eine Unterhaltung zu führen. Ansonsten verlange ich nur, dass sie sich, nicht in meine Angelegenheiten einmischt.«
»Ah«, meinte George skeptisch. »Und was für Angelegenheiten sind das?«
»Falls du glaubst, ich würde mir ein monogames Eheglück einer nur halbwegs hübschen Frau erträumen, dann irrst du dich.« Jacks Zynismus war nicht zu überhören. Ach habe dieses Gefaselvon ewiger Treue sowieso nie verstanden. Meines Erachtens hat das mit Ehe nicht unbedingt was zu tun.«
Georges Lippen wurden schmal, doch er hütete sich, Jack zu widersprechen. »Aber im Augenblick hast du doch gar keine Geliebte.«
Jack lächelte strahlend. »Nein, im Moment nicht. Doch ich habe, eine Kandidatin in petto, die diese Position bewunderungswürdigausfüllen könnte.« Sein Blick verlor sich in irgendwelchen Fernen, als er an Kits betörende Rundungen dachte. George räusperte sich und schwieg.
»Wie auch immer«, sagte Jack und löste sich aus seinem Tagtraum, »meine Ehefrau würde verstehen müssen, dass sie auf solche Bereiche meines Lebens keinen Einfluss nehmen kann.« Wenn Kit seine Geliebte wäre, würde der Wunsch nach einer Ehefrau wohl kaum in ihm wach werden. Keinesfalls nach einer, die sein Bett anwärmte - das könnte Kit viel besser.
Vierzehntes Kapitel
Lärm Gelächter und ferne Violinenklänge empfingen Kit, sie die Stufen von Marchmont Hall hinaufstieg. An der Tür stand der Butler, der mit scharfem Blick jeden Ankommenden nach dem obligatorischen Lorbeerzweig absuchte. Kit lächelte ihn an und berührte mit ihren behandschuhten Fingern das Zweiglein im Knopfloch ihres Jackenaufschlags. Der Butler verbeugte sich. Kit neigte den Kopf, erfreut, dass der Bedienstete sie nicht erkannt hatte. So oft, wie er sie, wenn auch in Röcken, gesehen hatte, war er eine durchaus ernstzunehmende Testperson. Zuversichtlich schritt sie auf die weit geöffnete Doppeltür zum Ballsaal zu, wo sie noch einmal innehielt und sich vergewisserte, dass die schwarze Maske richtig saß, die nicht nur ihre Augen,sondern auch den verräterischen Mund und das Kinn verdeckte.
Kaum hatte sie die Schwelle überschritten, fühlte sie zahlreiche abschätzende Augenpaare auf sich gerichtet. Ihr Mut geriet in Wanken, erholte sich aber rasch, als keine Miene etwas anderes, als höchstens Verwunderung verriet Natürlich konnten sie diesen eleganten Burschen nicht einordnen. Gelassen, als stünde erwiesene Aufmerksamkeit ihr von Natur aus zu, mischte sich Kit unter die Menge auf dem Tanzboden. Sie hatte sich von E einen abgelegten Abendfrack ihres Vetters Geoffrey umarbeite lassen, in tiefstem Mitternachtsblau, und hatte das ältliche Mädchen dazu überredet passende, enganliegende Beinkleider dazu zu schneidern. Ihre blaugoldene Weste war früher ein brokatenes, Unterkleid gewesen; sie war langgeschnitten, um anatomische Unzulänglichkeiten zu verbergen. Ihre schneeweiße Krawatte, au Spencers
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