Ungezaehmte Begierde
einer Kriegerin zu tun hatten als mit Logik oder klarem Verstand.
Hawke zuckte mit den Schultern. »Wenn sie weg ist, hast du keine Garantie, dass du deine Visionen zurückbekommst. Jetzt siehst du nur Schnipsel, stimmt’s?«
»Manchmal. Verdammt, ich weiß nicht mal, ob ich welche sehe oder nicht. Meine Wahrnehmungen sind völlig unzusammenhängend. Zuerst habe ich die Frau gesehen, wie sie Visionen hat und dazwischen dann die Ausschnitte eines Mordes. Danach habe ich nur noch die Ausschnitte gesehen, die mit dem Mord zu tun hatten. Aber seit Stunden – gar nichts mehr.«
»Was, wenn sie stirbt und die Visionen mit ihr sterben? Dann haben wir eine starke Waffe verloren.«
Insgeheim dankte Tighe seinem Freund und lockerte den Griff um die Gefangene. Hawke hatte recht. Vielleicht hatte er bei dem Durcheinander in seinem Kopf ja doch irgendwo einen ähnlichen Gedanken gehabt.
»Versuch in ihren Kopf einzudringen, wenn sie das nächste Mal eine Vision hat, mein Freund. Wenn du dir deine Visionen nicht zurückholen kannst, dann kannst du sie vielleicht wenigstens mit ihr teilen. Zumindest so weit, dass du herausfindest, wo der nächste Überfall stattfindet.«
Er begegnete Hawkes Blick. »Ich werde beides versuchen. Sowohl ihren Geist zu kontrollieren als auch in ihre nächste Vision einzudringen. Aber wir können dabei kein Publikum gebrauchen. Ihr geht jetzt besser.« Sein Blick glitt zu Kougar. »Alle beide.«
Kougars Miene blieb zwar wie immer unverändert, dennoch spürte er die Missbilligung des Kriegers.
»Das halte ich für keine gute Idee, Tighe.« Hawke zog die Brauen zusammen. »Du könntest sie umbringen, wenn du die Kontrolle verlierst.«
Tighes Blick zuckte zu Kougar. »Dann wäre das Problem doch auch gelöst.« Er wandte sich wieder an Hawke. »Das Risiko müssen wir eingehen, Wings. Diese Frau mag vielleicht ein Mensch sein, aber sie ist durch und durch eine Kämpfernatur. Und vom FBI. Sie hat schon mein Gesicht gesehen. Sie muss eure doch nicht auch noch sehen. Jedenfalls so lange nicht, bis ich sicher bin, dass ich ihre Erinnerungen löschen kann. Außerdem muss ich sie wieder … erregen – und dabei möchte ich lieber kein Publikum haben.«
Ein seltsamer Beschützerinstinkt brachte ihn dazu, seinen Griff um die Arme der Frau zu verstärken. Die Vorstellung, dass irgendjemand anders ihre Lustschreie hörte, erfüllte ihn mit einem seltsam eifersüchtigen Ärger.
Beruhige dich, Tighe. Beruhige dich.
Er holte tief Luft und begegnete Hawkes Blick. »Die Diskussion ist hiermit beendet. Es sei denn, du möchtest gern meine Krallen sehen.«
»Verstanden. Wir packen unsere Sachen und verschwinden, aber wir sind nicht weit entfernt. Wir behalten das Haus im Auge.«
Fünf Minuten später, als die beiden Krieger die Tür hinter sich geschlossen hatten, stand Tighe mitten im Wohnzimmer und blickte auf Delaney Randall hinunter. Sein Verstand riet ihm, sie hinzulegen, aber seine Arme weigerten sich noch immer, sie loszulassen. Warum denn nur? Warum hatte er nur dieses seltsame Bedürfnis, sie festzuhalten? Ein Bedürfnis, das über den bloßen Wunsch, sie von der Flucht abzuhalten, weit hinausging. Es war ein Bedürfnis, das jeder Logik entbehrte.
War es bloß sein übermäßiges Verlangen nach ihr, das außer Kontrolle geriet? Oder wurde er langsam verrückt und handelte deshalb nicht mehr logisch? Nicht mehr vernünftig?
Sein Wahnsinn konnte sie am Ende noch beide vernichten.
*
Delaney erwachte, spürte die Wärme in ihrem Rücken und schnurrte genüsslich. Wärme. Ein Mann.
Der Mörder.
Augenblicklich schnellte ihr Adrenalinspiegel in die Höhe. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und ihr Puls begann zu rasen. Sie war schlagartig wach.
Er hatte sie offenbar bewusstlos gemacht. Was eindeutig dagegen sprach, dass er sie umbringen wollte. Dennoch konnte sie sich etwas Angenehmeres vorstellen als in den Armen eines Killers zu liegen.
Langsam öffnete sie die Augen, aber nur einen Spaltbreit, falls sich außer dem Mann in ihrem Rücken noch jemand anders im Raum befand. Außer den Wänden eines fremden, dunklen Schlafzimmers und den Umrissen einiger Möbel erkannte sie jedoch nichts. Vor einem großen Fenster hingen dünne Vorhänge, durch die das Licht einer Straßenlampe hereinfiel.
Sie befanden sich nicht in ihrer Wohnung. Er hatte sie bewusstlos gemacht und entführt. Dadurch wurde eine Flucht ungleich schwieriger, denn zum einen hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand, und zum anderen
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