Ungezaehmte Leidenschaft
bitten darf.«
Als Virginia sich umdrehte, sah sie Jasper Welch auf sich zukommen. Sie lächelte. »Guten Abend, Sir. Ich sah Sie vorhin im Saal aus einiger Entfernung. Sie waren intensiv mit D.D. Pinkerton beschäftigt.«
»Er wurde praktisch ignoriert. Alle drängten sich um Leybrook.« Welch blieb vor ihr stehen. »Sehr peinlich, wenn man bedenkt, dass der Empfang zu Ehren Pinkertons stattfand. Ich fühlte mich verpflichtet, die Beleidigung etwas zu mildern.«
»Das war sehr liebenswürdig von Ihnen«, versicherte Charlotte ihm.
»Ein schwieriger Abend.« Welch zog ein Taschentuch hervor und wischte sich damit über die Stirn. »Was bin ich froh, dass er vorbei ist. Man muss sich immer um so viele Einzelheiten kümmern, und immer geht etwas schief. Die arme Mrs. Fordham war völlig überlastet. Die Hummer-Canapés sind mitten am Abend ausgegangen, außerdem musste sie mehr Champagner kommen lassen.«
»Wie immer haben Sie alles fabelhaft organisiert, Mr. Welch«, versicherte Virginia ihm.
Charlotte lächelte. »Ja, es war ein wunderbarer Abend, Sir. Ich weiß nicht, was Mr. Leybrook ohne Sie anfangen würde. Das Institut könnte ohne Ihre kompetente Leitung nicht funktionieren, das steht für mich fest.«
»Und ich könnte ohne Mrs. Fordham nichts ausrichten«, sagte Welch. »Sie ist ein wahres Wunder.«
»Apropos Mrs. Fordham, ich habe sie heute Abend nicht gesehen«, sagte Virginia.
»Sie war hinter den Kulissen sehr beschäftigt«, sagte Welch. »Es kamen mehr Gäste als erwartet. Miss Dean, weshalb ich Sie sprechen wollte … Ich muss mich für den Klatsch entschuldigen, der die Runde macht.«
»Ach, müßiges Getratsche«, sagte Charlotte mit Bestimmtheit.
»Und ganz gewiss nicht Ihre Schuld, Sir«, sagte Virginia.
Tiefe Sorgenfalten erschienen auf Welchs Stirn. »Trotzdem tut es mir leid, sollten Sie heute Peinlichkeiten ausgesetzt gewesen sein.«
»Ich werde es überleben«, beruhigte Virginia ihn.
»Natürlich, natürlich.« Welch neigte den Kopf zu einer kleinen Verbeugung. »Ach Gott, wie ich sehe, schafft Mrs. Harkins mit ihrem Stock die Treppe nicht. Wenn Sie mich entschuldigen wollen.«
»Aber natürlich«, sagte Virginia.
»Guten Abend, Mr. Welch«, setzte Charlotte hinzu.
Sie sahen Welch nach, der sich beeilte, der betagten Mrs. Harkins zu helfen, einer angesehenen Praktikerin, die zweimal wöchentlich Séancen veranstaltete.
»Die Frau leidet zwar an Rheumatismus«, bemerkte Charlotte leise, »dennoch läuft ihr Geschäft besser als das der meisten ihrer Konkurrentinnen. Wie ich hörte, hat sie unlängst ihre Séance-Honorare wieder erhöht und darf nun Lady Bingham zu ihrer Stammkundschaft zählen.«
»Ja nun, Mrs. Harkins ist Amerikanerin«, erwiderte Virginia. »Man kennt das. Wer aus einem anderen Land kommt, gilt mehr.«
Viele, die sich auf Geisterbeschwörungen spezialisierten, kamen wie Mrs. Harkins aus Amerika. Das große Interesse am Übernatürlichen war Jahrzehnte zuvor von den Staaten ausgegangen, und amerikanische Medien standen in der britischen Öffentlichkeit noch immer in hohem Ansehen.«
Charlotte zog die Brauen hoch. »Was für ein Glück für Mr. Sweetwater, dass er sich nicht Mrs. Harkins als Opfer erkoren hat, als er letzten Monat ein paar betrügerische Medien entlarvte. Sie hätte Hackfleisch aus ihm gemacht.«
Virginia lachte. »Sicher hat er keine Ahnung, wie glücklich er sich schätzen darf.« Sie sah Owen aus dem chaotischen Durcheinander von Pferden, Fahrzeugen und Menschen auf der Straße auftauchen. »Mrs. Harkins ist schon lange im Geschäft und weiß sich zu schützen. Sie hatte schon mit etlichen Ermittlern zu tun, die sie als Betrügerin bloßstellen wollten, und sie hat es geschafft, dass alle wie einfältige Dummköpfe dastanden, weil sie es wagten, ihr Talent anzuzweifeln.«
Owen hatte die oberste Stufe rechtzeitig erreicht, um die Bemerkung zu hören. Er grinste. »Ich bin kein Dummkopf«, sagte er. »Als ich begann, einige der Betrüger zu entlarven, traf ich meine Wahl sehr sorgfältig. Sally Harkins stand nicht auf meiner Liste.«
»Das war sehr klug von Ihnen, Sir«, sagte Charlotte. »Mrs. Harkins soll den letzten Ermittler, der sie zu entlarven versuchte, bestraft haben, indem sie einem Korrespondenten des Flying Intelligencer den Namen seiner aktuellen Geliebten verriet. Als der Artikel in der Zeitung erschien, war seine Frau alles andere als erfreut.«
»Ich habe mich kundig gemacht«, sagte Owen. »Diese Geschichte kenne
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