Ungezaehmte Leidenschaft
gebe zu, dass es eine Verbindung zu dem Fall geben muss.«
Nick runzelte die Stirn. »Der Spiegel ist ein gefährliches und zweifellos kostbares Artefakt, und doch vertraute ihn jemand einem gewöhnlichen Straßengauner an, damit dieser ihn gegen Owen anwendet. Jemand wollte ihn ganz dringend loswerden.«
»Leider können wir im Moment nur abwarten und sehen, ob Mr. Sweetwater sich von den Nachwirkungen des Spiegels erholt«, sagte Charlotte.
»Er wird sich erholen«, beharrte Virginia.
»Wir könnten seine Chancen besser einschätzen, wenn wir eine Ahnung hätten, wie stark der Angreifer war«, sagte Charlotte.
»Da er nun tot ist, können wir das nicht feststellen«, gab Tony zurück.
»Er hatte jedenfalls so viel Kraft, um mit dem verdammten Spiegel ernsten Schaden anzurichten«, sagte Nick voller Ingrimm.
Virginia bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick. »Mit Sicherheit wissen wir nur, dass Owen ihn bezwingen konnte. Das bedeutet, dass Owen der Stärkere der beiden war.«
Nick, Tony und Matt wechselten Blicke. Keiner sagte ein Wort.
»Was ist?«, fragte Virginia. »Warum diese Blicke?«
Nick räusperte sich. »Wir wissen nicht, ob Owen hinsichtlich seines Talents stärker war, Miss Dean, nicht sicher jedenfalls.«
»Was soll das heißen?«, fragte sie. »Er ist derjenige, der die Begegnung überlebte.«
»Er benutzte aber ein Messer«, sagte Tony, als erkläre er einem nicht allzu klugen Kind ein elementares Prinzip. »Nicht sein Talent. Der Spiegel setzte seine psychischen Sinne außer Gefecht.«
Virginia furchte die Stirn. »Was sagen Sie da?«
»Nur dass Onkel Owen nicht aufgrund seines Talents überlebte«, gab Matt zurück.
»Ich verstehe«, flüsterte Virginia. Sie umfasste Owens Hand fester.
Nick sah seinen Vetter an. »Er ist in gewissem Sinn ein Jäger, aber kein echtes Jägertalent wie Tony oder Matt. Reflexe, Sehvermögen und Koordination sind hervorragend, aber nicht übernatürlich.«
»Trägt er deshalb ein Messer in seinem Stiefel?«, fragte Charlotte.
»Nein«, sagte Tony. »Er trägt ein Messer im Stiefel, weil alle Sweetwaters Messer im Stiefel tragen.«
»Früher war es ein Dolch«, erklärte Nick. »Aber wir gehen mit der Zeit.«
»Familientradition«, ergänzte Matt. »Im Einklang mit dem Familiengesetz.«
»Talent ist nützlich, eine scharfe Klinge aber auch«, zitierte Virginia leise.
»Im lateinischen Original klingt es besser«, sagte Tony.
Virginias Lächeln fiel matt aus. »Zweifellos.«
»Owens großes Talent ist seine Fähigkeit, das Verhalten des Ungeheuers vorauszusehen«, erklärte Nick. »Nicht seine Schnelligkeit oder seine Nachtsicht.«
Charlotte sah ihn an. »Ich verstehe nicht, wie seine Fähigkeit, das Verhalten des Mörders vorauszusehen, ihm heute genützt haben soll. Er wusste ja bereits, dass der Gauner versuchen würde, ihn zu töten.«
»Sie würden sich wundern«, sagte Nick. »Owen hat die Gabe, Leute zu provozieren. Er sagt, wenn man einen Menschen dazu bringt, seine Selbstbeherrschung zu verlieren, lässt er sich leicht manipulieren, mag sein Talent noch so stark sein. Ich vermute, dass genau dies heute passierte.«
Tony sah Owen an. »Es sieht aus, als hätte Onkel Owen bei dieser Gelegenheit sehr knapp kalkuliert.«
Virginia überlief ein Schaudern. »Ja.«
»Meist hinterlässt er kein Spur von Gewalt«, sagte Matt. »Aber es gab viel Blut auf der Gasse. Erst befürchtete ich, dass es auch seines war.«
Die Erinnerung an das Blut an Owens Händen und Kleidern ließ Virginia erneut schaudern. »Ich auch.«
»Glauben Sie, dass Mr. Sweetwater seinen Angreifer absichtlich zu einem unüberlegten Schritt provozierte?«, fragte Charlotte.
»Wie gesagt, Onkel Owen versteht sich darauf, Leute so zu reizen, dass sie die Nerven verlieren«, sagte Tony stolz.
Virginia sah Owen an. Auch im Zustand der Bewusstlosigkeit wirkte er gefährlich. Seine psychischen Sinne waren zwar geblendet, doch knisterte dunkle Energie in der Atmosphäre um ihn herum.
»Seine Aura bringt zweifellos manche Leute um den Verstand«, sagte Virginia.
»Vielleicht hat er deswegen nie geheiratet«, sagte Charlotte.
Virginia merkte, dass die drei Sweetwaters wieder rätselhafte Blicke wechselten.
»Was ist?«, wollte sie wissen.
Nick räusperte sich. »Owen hat nie geheiratet, weil er erst die Richtige finden muss.«
Charlotte zwinkerte verdutzt und lächelte dann. »Was für ein charmanter romantischer Gedanke.«
»Ich bin nicht sicher, ob man die Sweetwaters
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