Ungezaehmte Leidenschaft
umbringen. Und wenn es das Letzte war, was er tat, er würde diesen Mistkerl umbringen. Wut raste wie ein Feuersturm durch seinen Körper, eine Wut geboren aus dem Abscheu vor dem Missbrauch von Unschuldigen.
Er sah sie an, betrachtete die Schönheit, die unter dem Gewirr blutiger Schnitte, die ihr Gesicht bedeckten, kaum mehr zu erkennen war. Und endlich akzeptierte er, was ihm sein Gefühl von Anfang an gesagt hatte. Diese Hexe war anders. Sie war frei von der Grausamkeit und Heimtücke, unter der er bei Ancreta hatte leiden müssen.
Sie war rein.
»So, dann kennen wir jetzt wohl den Zweck ihres Cantrics«, sagte der Schamane, der hinter ihm stand.
Paenther warf ihm einen Blick über die Schulter zu und nahm erst jetzt die kleine Gruppe wahr, die ihm nach unten gefolgt war. »Was meinst du damit?«
»Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie jemand überhaupt auf die Idee kommen kann, einen Cantric in ein Herz einzusetzen, und mir ist nur ein Grund eingefallen. Damit derjenige, in dessen Herzen er eingesetzt worden ist, sich nie davon befreien kann.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich glaube, der Cantric soll sie kontrollieren. Sie nannte es Strafe. Die Magier haben ihren Cantric mit einem Zauber belegt, der sie immer dann bestraft, wenn sie etwas Verbotenes tut oder nicht das tut, was man von ihr verlangt.«
Wie zum Beispiel am Mondritual teilzunehmen.
»Und dann wurde er ihr an einer Stelle eingesetzt, von der er nie wieder entfernt werden kann.«
»Das scheint mir eine ziemlich drastische Maßnahme zu sein«, meinte Tighe.
»Das sehe ich auch so.« Der Schamane schüttelte seine Rüschenmanschetten aus. »Da fragt man sich unwillkürlich, wie sehr sie sich wohl aufgelehnt haben muss, dass man zu solch einer Maßnahme gegriffen hat.«
»Dann war sie also eine Sklavin?«, fragte Tighe. »In ihrem eigenen Volk?«
Paenthers Hände ballten sich zu Fäusten. »Ich glaube, sie war die Sklavin einer einzigen Person.« Birik. Heilige Göttin, er wusste überhaupt nicht, wer sie war. Er wusste überhaupt nichts mehr. Da waren all die Hinweise gewesen, die darauf hingedeutet hatten, dass sie missbraucht worden war. Doch bei diesem albtraumhaften Ritual schien sie bei den Schlachtungen und beim Sex bereitwillig mitgemacht zu haben. Sie hatte ihn gegen seinen Willen genommen, und er hatte Vhyper geglaubt, als dieser ihm erzählt hatte, es wäre alles ein Trick gewesen, um ihn dazu zu bringen mitzumachen. Doch wenn er sich an jene Nacht zurückerinnerte, fiel ihm wieder ein, wie eng sie gewesen war, obwohl Birik doch versucht hatte, sie vorzubereiten. Er hielt das für einen Beweis dafür, dass ihr Interesse an ihm nur vorgetäuscht gewesen war. Allmählich begriff er, dass der Akt genauso gegen ihren Willen gewesen war wie gegen seinen.
Paenther betrachtete das verwüstete, zarte Gesicht, als würde er sie zum ersten Mal wirklich sehen. Sie war acht Jahre alt gewesen. Und trotzdem hatte sie sich wie ein Pantherjunges gegen Birik gewehrt. Warum?
Doch er wusste es. Sie hatte sich wegen der Tiere gegen ihn aufgelehnt.
Er sah Lyon an. »Sie ist eine Circe.«
»Was ist eine Circe?«, fragte Kara.
Der Schamane gab die Antwort. »Die Circe ist eine der ursprünglichsten Naturgeister, aus denen die Magier hervorgegangen sind. Es gibt nur noch wenige von ihnen. Ich habe gesehen, wie sie Vögel und Schmetterlinge angezogen haben. Manchmal auch Bienen. Dass diese hier so eine starke Wirkung auf eure Tiere hat, ist außergewöhnlich.«
»Welche Aufgabe hatte sie bei den Magiern, B.P.?«, fragte Lyon.
»Ich weiß es nicht genau. Sie rief Tiere aus dem Wald zu sich, fünf oder sechs auf einmal. Birik opferte die Tiere und tauchte die Hexe in ihr Blut, während sie an einem Ritual … teilnahm. Mithilfe der Energie, die bei diesem Ritual erzeugt wurde, konnte Birik drei Dämonen aus der Klinge freisetzen.«
Der Schamane runzelte die Stirn. »Mit Opferungen werden eigentlich finstere Mächte heraufbeschworen. Solche Tötungen wären gegen die Natur einer wahren Circe.«
Paenther nickte. »Deshalb wurde ihr Cantric mit einem Bann belegt.« Alles war plötzlich so offensichtlich. Und gleichzeitig wieder völlig unklar. Nur weil sie die Tiere, die sie aus dem Wald holte, nicht hatte töten wollen, bedeutete das noch lange nicht, dass sie den Kriegern des Lichts und den Therianern, den Erbfeinden ihres Volkes, in irgendeiner Form zugetan war.
»Warum reagieren unsere Tiere dann so nervös auf sie, obwohl sie sich doch
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