Ungezaehmte Nacht
ein paar Minuten, doch er musste in Erfahrung bringen, was vorgefallen war. Seine Männer holten schon die Witwe und die beiden Küchendiener, damit er sie verhören konnte, und deshalb beugte er sich vor, um Isabella auf die Stirn zu küssen. »Ich lege mein Herz in deine Hände, Francesca«, sagte er mit leiser Stimme, in der jedoch auch eine unmissverständliche Drohung lag.
»Das ist mir sehr wohl bewusst«, erwiderte sie ernst.
Nur äußerst widerstrebend legte Nicolai Isabella auf das Bett. Der Heilkundige war inzwischen auch gekommen, und Nicolai schaute abwechselnd ihn, Sarina und Francesca an. »Sorgt dafür, dass sie sich schnell erholt!« Eine völlig ungewohnte Emotion schnürte ihm die Kehle zu, und seine Hände ballten sich zu Fäusten, als er sich abrupt von allen abwandte. Dies würde aufhören. Es musste aufhören. Es war schlimm genug, dass er selbst eine ernsthafte Gefahr für Isabella darstellte, aber diese Unfälle , die ihr so regelmäßig zustießen, rochen für ihn nach einer Verschwörung.
Francesca schloss die Tür hinter ihrem Bruder und wandte sich dem Heiler zu. »Sagt uns, was sie braucht!«
Auf seine Anweisung entkleideten die beiden Frauen Isabella und halfen ihr in die Wanne. Aber selbst das lauwarme Wasser empfand sie als so schmerzhaft, dass sie aufschrie und sich den Händen der Frauen zu entwinden versuchte, die sie sanft massierten, um wieder Leben in ihre Glieder zu bringen. Der Heiler kümmerte sich derweil um die böse Kratzwunde, während Sarina nach kochendem Wasser rief, um das sich abkühlende Badewasser zu erhitzen. Tränen liefen über Isabellas Wangen, als ihr Körper sich allmählich zu erwärmen begann. Das Zittern hörte jedoch nach wie vor nicht auf, und auch die Überreste ihrer Panik wollten nicht weichen. Francesca wiegte sie sanft in ihren Armen, während der Heiler ihr starken, mit viel Honig gesüßten Tee einflößte.
Als Isabella endlich in ihrem wärmsten Nachthemd unter den Daunendecken lag, setzte Francesca sich neben sie und strich ihr das Haar aus dem Gesicht.
Sie wartete, bis der Heiler und Sarina ihre Sachen eingesammelt und das Zimmer verlassen hatten. Dann sagte sie: »Du hast mir große Angst gemacht, sorella mia . Du kannst doch nicht einfach so verschwinden.« Liebevoll beugte sie sich zu Isabella vor, die gerührt registrierte, dass Francesca sie »meine Schwester« genannt hatte, und flüsterte ihr beruhigende Worte zu. »Ich habe bei deinem Bruder gewacht. Er schläft jetzt friedlich. Und Nicolai liebt dich sehr. Du bist sein Leben geworden. Sein Herz.« Sie nahm Isabellas Hand in ihre und beugte sich noch weiter vor. »Du bist die einzige Freundin, die ich habe, Isabella. Die einzige, die mich von einem dunklen, leeren Ort zurückführen kann, an dem ich nicht mehr leben will. Bleib bei uns! Bei meinem Bruder und bei mir! Wir leben in einer Welt, die du unmöglich verstehen kannst, doch wir brauchen deinen Mut.«
Isabellas Finger schlossen sich für einen Moment um die der Freundin und erschlafften wieder. Francesca seufzte und schob Isabellas Hand unter die warme Decke. Nicolai, der draußen wartete, fauchte seine Schwester fast an vor Ungeduld, als er hereinkam und im Zimmer umherstrich wie der ruhelose Löwe, der er war.
»Lass sie schlafen, Nicolai!«, riet Francesca ihm. »Was hast du herausgefunden?«
»Meine Männer sind noch unterwegs. Wir werden unsere Antworten bekommen, wenn sie mit der Frau und den Dienern hier sind.« Einen Moment lang blieb er stehen und strich Isabella zärtlich übers Haar, bevor er seine nervöse Wanderung wieder aufnahm.
»Sie muss von den Katzen angegriffen worden sein. Sie hat schlimme Kratzer an einem Arm.« Francesca schnappte nach Luft, als sie seinen mörderischen Gesichtsausdruck sah, und erklärte es ihm schnell. »Die Katzen suchen Zuflucht in den Vorratskammern, um nicht von den Löwen gefressen zu werden. Außerdem halten sie die Ratten und Mäuse unter Kontrolle. Wir brauchen sie, Nicolai. Du kannst sie nicht vernichten. Die armen Tiere sind hungrig und haben nur ihr Territorium verteidigt. Sie haben keinen anderen Unterschlupf. Das weiß hier jeder.« Sie unterbrach sich, um ihre Worte wirken zu lassen. Dann erhob sie den Blick zu ihrem Bruder. »Nicolai!«, flüsterte sie entsetzt.
Seine Augen glühten orangerot, als stünden sie in Flammen, und spiegelten seinen inneren Aufruhr wider. Er sagte jedoch nichts und fuhr nur fort, sie anzustarren.
»Nicolai, du kannst doch nicht noch
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