Ungezaehmte Nacht
Schritt vor und erstarrte dann in einem klassischen Auftakt zu einem Angriff. Isabella konnte den Blick nicht von den Augen abwenden, die so unverwandt auf sie gerichtet waren. Sie wollte an den Don glauben. Er würde ihnen zu Hilfe kommen. Tränen verschleierten ihr die Sicht, und sie blinzelte schnell, verzweifelt bemüht, ihre fünf Sinne beisammenzuhalten.
Hände ergriffen sie, sanfte Hände, die sie auf starke Arme hoben. Dann lag sie an der Brust des Dons und barg ihr Gesicht an seinen Hals, weil ihre Panik ihr die Sprache raubte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie einer Ohnmacht nahe – eine lächerliche, typisch weibliche Reaktion, die sie verabscheute. Isabella wollte wissen, ob der Löwe fort war, aber sie fand einfach nicht den Mut, den Kopf zu heben und nachzusehen.
Don DeMarco half auch Sarina auf die Beine. »Bist du verletzt?«, fragte er die ältere Frau mit sanfter Stimme.
»Nein, nur erschüttert. Signorina Vernaducci hat mich vor Schaden bewahrt. Womit habe ich Euren Vogel verärgert? So hat er sich noch nie auf mich gestürzt.« Sarinas Stimme zitterte, und sie strich ihre Röcke glatt, ohne den Don auch nur ein einziges Mal anzusehen.
»Er ist so viele Fremde in seinem Territorium nicht gewöhnt«, antwortete DeMarco schroff. »Kümmere dich jetzt nicht um die Unordnung, Sarina! Signorina Vernaducci ist verletzt. Wir müssen nach ihren Wunden sehen.« Er durchquerte bereits den Raum mit Isabella und trat auf den Gang hinaus. Sarina folgte ihnen etwas langsamer.
Isabella, die unkontrolliert zitterte und sich deswegen schrecklich fühlte, war zutiefst beschämt über ihr Verhalten. Es war schlicht unerträglich. Sie war eine Vernaducci, und die Vernaduccis jammerten nicht, wenn sie in Bedrängnis gerieten. »Es tut mir leid«, flüsterte sie, entsetzt über ihre Unbeherrschtheit und die Tatsache, dass sie vor einer Dienstbotin und vor Don DeMarco weinte.
»Psst, bambina , wir werden Euch gleich die Schmerzen nehmen«, säuselte Sarina, als wäre Isabella noch ein kleines Kind. »Ihr wart so tapfer und habt mich vor furchtbaren Verletzungen bewahrt.«
Sie eilten die Treppen hinunter, wobei Don DeMarcos Bewegungen wieder so fließend und geschmeidig waren, dass Isabellas Körper nicht die kleinste Erschütterung davontrug. Die Kratzwunden waren schmerzhaft, doch Isabella weinte vor Erleichterung und nicht vor Schmerz. Zuerst der Falke und dann der Löwe. Beide waren Furcht erregend gewesen, und sie hoffte nur, dass die vierbeinigen Bestien sich nicht frei innerhalb des Kastells bewegen konnten. Der Löwe, den sie gesehen hatte, war bestimmt aus einem Käfig irgendwo auf dem Besitz entkommen. Sie atmete tief durch und zwang sich, sich zu beruhigen.
»Es tut mir leid, dass ich gejammert habe wie ein Kind«, entschuldigte sie sich wieder. »Es geht jetzt wieder, wirklich. Ihr könnt mich nun herunterlassen.«
»Entschuldigt Euch nie wieder bei mir!«, entgegnete Don DeMarco grimmig. Seine goldenen Augen glitten in einem düsteren, nachdenklichen Blick über ihr Gesicht. Eine gewisse Schroffheit schwang in seiner Stimme mit, eine unbestimmbare Emotion, die Isabella nicht ergründen konnte.
Sie blickte zu ihm auf, und ihr blieb beinahe das Herz stehen. Sein Gesicht war eine Maske der Verbitterung, sein Ausdruck hoffnungslos. Er sah aus, als wäre seine ganze Welt zusammengebrochen und jeder Traum, den er einmal gehabt hatte, irreparabel zerstört worden. Isabella verspürte ein seltsam wehes Gefühl in der Nähe ihres Herzens und hob die Hand, um sanft mit den Fingerspitzen den Bartschatten an Don DeMarcos Kinn zu berühren. »Don DeMarco, Ihr haltet mich noch immer für ein Glasfigürchen, das zerbricht, wenn es hinfällt. Aber ich bin aus härterem Material geschnitzt. Und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich nicht vor Schmerz geweint. Der Vogel hat mich nur gekratzt.« Sie konnte das Brennen und Pochen sehr wohl spüren, nachdem ihre Angst zurückgegangen war, doch den Don zu beschwichtigen erschien ihr sehr viel wichtiger.
Seine goldenen Augen blickten besitzergreifend auf sie herab und blieben auf ihrem Mund haften, als wollte er seine Lippen auf die ihren pressen. Er stahl ihr den Atem mit diesem Blick. Außerstande wegzuschauen, starrte Isabella fasziniert zu ihm auf.
Mit exquisiter Sanftheit legte er sie schließlich auf das Bett und drehte sie so, dass sie auf dem Bauch lag und die langen Kratzer für ihn sichtbar wurden. Sie spürte seine Hände auf ihr, die behutsam ihr Kleid
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