Ungezaehmte Nacht
hielten, während er das Pferd durch den Schnee führte. Isabella richtete sich abrupt gerader auf. DeMarco führte sein Pferd nicht , sondern Sergio und der Hauptmann lenkten es mit ihren Tieren. Die Aufmerksamkeit des Dons konzentrierte sich ganz und gar auf ihn selbst, und er schien so tief in sich versunken zu sein, dass er offenbar nichts um sich herum richtig wahrnahm, nicht einmal Isabella.
Sein Gesichtsausdruck erregte ihr Interesse. Er kämpfte innerlich mit sich – das spürte sie –, aber sein Gesicht war nun eine Maske der Gleichgültigkeit. Isabella hatte schon als Kind ein Gespür für gewisse Dinge gehabt, und im Moment war ihr mehr als deutlich bewusst, dass Nicolai DeMarco einen heftigen inneren Kampf mit sich ausfocht.
Sie wusste, dass die Löwen noch immer neben den beiden Kolonnen von Reitern herliefen. Sie waren jetzt zwar weiter entfernt als vorher, doch noch immer da. Kontrollierte der Don ihr Verhalten in irgendeiner Weise? Besaß er tatsächlich eine solche Fähigkeit? Ein beängstigender Gedanke. Niemand außerhalb des Kastells und dieses Tals würde jemals eine solche Leistung anerkennen. DeMarco würde höchstens vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt werden. Gerüchte waren eine Sache – die Leute liebten Klatsch und gruselten sich auch gern ein bisschen –, aber es wäre ein völlig anderer Fall, wenn Don DeMarco tatsächlich eine Armee von Raubtieren beherrschen könnte.
Isabella wurde auf das Verhalten des Pferdes unter ihnen aufmerksam. Während das Tier vorher völlig ruhig gewesen war, wurde es jetzt zunehmend nervöser, begann zu tänzeln und warf unruhig den Kopf zurück. Auch der Umhang, der Isabella mit seiner Wärme umhüllte, schien nahezu zum Leben zu erwachen, sodass sie den wilden Löwen roch und seine Mähne an seiner Wange spüren konnte.
Don DeMarco zügelte das Pferd und hielt die beiden Reiterkolonnen an. Isabella konnte seine veränderte Atmung spüren, die Luft bewegte sich viel schneller durch seine Lungen, und sein heißer Atem wärmte ihren Nacken. Dann gab der Hauptmann den beiden Kolonnen ein Zeichen, weiter auf den Palazzo zuzureiten. Der Sturm dämpfte sehr effektiv die Geräusche von Pferden und Reitern, als sie in der schneebedeckten weißen Welt verschwanden.
Nicolai berührte Isabellas Haar und ließ seine große, schwere Hand von ihrem Kopf zu ihrem Nacken hinuntergleiten. Es war eine unglaublich sinnliche Liebkosung, die Isabella vor Wonne erschauern ließ. Dann beugte er sich zu ihr vor, bis sein Mund beinahe ihr Ohr berührte. »Ich bedaure, dass ich Euch nicht den ganzen Weg zum Palazzo zurückbegleiten kann, aber Rolando wird dafür sorgen, dass Ihr dort wohlbehalten eintrefft. Ich habe andere dringende Verpflichtungen.« Erneut schwang dieses merkwürdig kehlige Knurren, das sinnlich und beängstigend zugleich war, in seiner Stimme mit. Mühelos und geschmeidig glitt er aus dem Sattel, ließ jedoch eine Hand auf Isabellas Knöchel liegen.
Ihr stockte der Atem, denn obwohl sie Stiefel trug, spürte sie diese intime kleine Berührung in ihrem ganzen Körper. »Es sind Löwen in der Nähe, Signor DeMarco. Ihr könnt nicht zu Fuß hier draußen herumlaufen«, sagte sie besorgt. »Nichts kann so wichtig sein.«
»Hauptmann Bartolmei wird Euch zum castello zurückbringen. Sarina wartet schon auf Euch, und ich bin sicher, dass sie sich während meiner Abwesenheit sehr gut um Euch kümmern wird. Ich werde zurückkehren, sobald ich kann.« Der Wind frischte auf, und das strubbelige Haar umwehte das Gesicht des Dons, golden auf dem Oberkopf und fast schwarz, wo es über seinen Rücken fiel. »Isabella, Ihr bleibt dicht bei dem Hauptmann, bis Ihr sicher innerhalb der Mauern meines Hauses seid. Und hört auf Sarina! Sie will Euch nur beschützen.«
»Don DeMarco«, unterbrach ihn Hauptmann Bartolmei. »Ihr müsst Euch beeilen.«
Alle Pferde schnaubten und tänzelten nervös. Isabellas Tier verdrehte furchtsam die Augen, warf den Kopf hoch und versuchte zurückzuweichen.
Isabella streckte die Hand aus und ergriff Nicolai an der Schulter. »Ihr habt keinen Umhang, und es ist eisig kalt hier draußen. Bitte kommt mit uns! Oder nehmt wenigstens Euer Cape zurück!«
Don DeMarco senkte den Blick auf die kleine, behandschuhte Hand auf seiner Schulter. »Seht mich an, meine Gnädigste! Seht mir ins Gesicht!«
Sie hörte das scharfe, furchtsame Einatmen der beiden Männer hinter ihnen. Aber sie würdigte sie keines Blickes, sondern schaute nur
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