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Ungezaehmte Nacht

Ungezaehmte Nacht

Titel: Ungezaehmte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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nahezu taub vor Kälte, als sie sich an den Ästen festhielt. Mit klappernden Zähnen kauerte sie dort und beobachtete voller Entsetzen die Szene, die sich unter ihr entfaltete.
    Die glühenden Augen auf ihre Beute gerichtet, traten die Wölfe aus dem Schutz der Bäume. Doch ihre Beute war nicht Nicolai – das Rudel schlug einen Bogen um ihn und bewegte sich auf den Baum zu, auf dem Isabella hockte. Einer, der kühner war als die anderen, sprang knurrend hoch und schnappte nach ihrem Fuß. Ein Schrei entfuhr ihr, als sie schnell ihr Bein hochzog und sich dabei die Haut an der Baumrinde aufschrammte.
    Und dann erschütterte das wütende Brüllen eines Löwen das Tal. Es klang grimmig und herausfordernd. Ein gut sechshundert Pfund schweres Tier sprang mitten in das Wolfsrudel hinein und holte mit einem tödlichen Prankenhieb nach dem aggressivsten der Tiere aus. Verzweifelt fiel das ganze Rudel knurrend und zähnefletschend über ihn her und zerbiss und zerfetzte ihm den Rücken, die Läufe und den Nacken, bis der Schnee mit großen roten Flecken übersät war. Es waren so viele Wölfe, dass Isabella überzeugt war, der Löwe müsse unter ihrem Gewicht zusammenbrechen. Der Anblick war grauenvoll, die Geräusche noch viel schlimmer.
    »Nicolai.« Mit schmerzerfüllter, tränenerstickter Stimme flüsterte sie hilflos seinen Namen, weil sie beim besten Willen nicht wusste, wie sie ihm helfen könnte.
    Der Löwe schüttelte seinen mächtigen Körper, und die Wölfe wurden jaulend und winselnd in alle Richtungen geschleudert. Der Löwe sprang ihnen nach und schlug die langsameren Tiere mit Prankenhieben nieder, bis sie aufjaulend vor Entsetzen vor dem viel größeren und mächtigeren Raubtier in alle Richtungen davonhinkten. Der Löwe blieb für einen Moment ganz ruhig stehen und sah ihnen nach; dann schüttelte er die zottelige Mähne, und ein Zittern durchlief seinen kraftvollen Körper. Isabella konnte sehen, dass das Fell an vielen Stellen rot verfärbt war. Die lange, dichte Mähne um seinen Nacken, auf seinem Rücken und unter seinem Bauch hatte ihn vor den schlimmsten Bissen geschützt, doch er war verwundet.
    Das Tier wandte den Kopf und sah sie an. Glühende bernsteinfarbene Augen erwiderten konzentriert und eindringlich ihren besorgten Blick.
    »Nicolai!« Ihre Stimme überschlug sich fast vor Freude, und sie sprang aus dem Baum und landete auf ihrem Hinterteil im Schnee.
    Der mächtige Kopf senkte sich, und der Löwe kauerte sich nieder wie zum Sprung. Isabella fühlte seinen zunehmenden Triumph in der Luft, dunkel und bösartig, und konnte sehen, wie er sich an seiner Macht ergötzte. Und da stockte ihr der Atem, ihr Herz begann zu rasen, und sie schmeckte Furcht auf der Zunge. Die Augen des Löwen wichen nicht von ihr und beobachteten sie mit Furcht erregender Konzentration.
    Isabella blieb reglos sitzen und wartete auf den Tod. Dabei blickte sie scheinbar völlig ruhig in die ihr so vertrauten Augen. »Ich weiß, dass nicht du das tust, Nicolai. Ich weiß, dass du mich nur beschützen wolltest«, sagte sie sehr sanft und liebevoll, und es war ihr völlig ernst gemeint. »Du bist nicht mein Feind und wirst es niemals sein.« Was auch immer voller Hass und Heimtücke in diesem Tal lauerte, hatte nichts mit Nicolai zu tun. Es benutzte den Tötungsinstinkt der Tiere und alle intensiven Emotionen wie Wut, Hass oder Furcht, ob menschlicher Natur oder anderer, verstärkte diese Empfindungen zu seinen Zwecken und machte sie sich zunutze. Isabella dachte jedoch nicht daran, diese bösartige Energie oder Entität ihre Gefühle für Nicolai benutzen zu lassen, und so erwiderte sie nur ruhig den flammenden goldenen Blick des Löwen und sah dem Tod ins Auge, als er auf sie zusprang. »Ich liebe dich«, sagte sie leise, und wieder war es ihr völlig ernst damit. Dann, zum ersten Mal in ihrem Leben, verlor sie das Bewusstsein.
    Eine Stimme rief sie und drängte sie, die Augen zu öffnen. Eingehüllt von einer angenehmen Wärme, lag Isabella still und ruhig da und hatte das äußerst seltsame Gefühl zu fliegen. Falls ich tot bin, ist der Tod gar nicht so schlimm , dachte sie und kuschelte sich noch tiefer in die Wärme.
    »Öffne die Augen, Isabella! Tu es für mich!«, drang wieder die Stimme in ihr Bewusstsein. Sie klang schroff vor Sorge, nervös und sinnlich-rau. Etwas in ihrem Tonfall ließ Isabella innerlich zerfließen. »Schau mich an, cara! «
    Mit größter Mühe gelang es ihr, die Wimpern zu heben. Nicolai

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