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Ungezaehmte Nacht

Ungezaehmte Nacht

Titel: Ungezaehmte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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in vielen Festungen gewesen, und keine von ihnen ist wie diese hier. Deine Leute lieben dich. Was immer du auch sonst denkst, das kannst du mir glauben. Wenn es stimmt, dass sie unter einem Fluch stehen und alles, was dich betrifft, sich auch auf sie auswirkt, bist du ihnen eines schuldig: Du musst den nötigen Mut haben, das hier zu Ende zu bringen.«
    Nicolai griff nach ihrem durchnässten Morgenmantel und streifte ihn ihr vorsichtig von den Schultern. »Sieh dir nur an, was ich mit dir gemacht habe, Isabella! Sieh dir diesen Beweis für gescheiterte Liebe an! Ich war es, der dir das angetan hat.«
    Isabella strich über sein Hemd und hob ihre blutverschmierte Hand hoch. » Das ist, was ich sehe, Nicolai. Den Beweis dafür, dass ein Mann sein Leben riskiert hat, um meins zu retten.«
    Dann trat sie zurück, ließ ihren Morgenmantel zu Boden fallen und stieg die wenigen Stufen in das heiße Wasser hinab, bis es sie bis zum Hals bedeckte. Das Wasser war siedend heiß an ihrer kalten Haut, aber auch Isabellas Tapferkeit hatte Grenzen, und sie sehnte sich nach Sarinas Trost. Eine Strafpredigt über sich ergehen zu lassen erschien ihr dagegen wie eine Kleinigkeit.

KAPITEL ZEHN
    N icolai schloss die Augen vor Isabellas verführerischem Anblick. Der aus dem heißen Wasser aufsteigende Dampf bewirkte nur, dass sie noch reizvoller und ätherischer aussah. Er begehrte sie mit jeder Faser seines Seins. Und nicht nur ihren Körper – er wollte auch ihre Loyalität, ihr Herz. Ihre Freundschaft, Fröhlichkeit und Lebenslust. Sie schaute mit solch blindem Vertrauen zu ihm auf, und ihre großen Augen waren so weich und zärtlich, dass seine Hände sich unwillkürlich zu Fäusten ballten.
    Zu Fäusten, die sich noch mehr verkrampften, als seine Emotionen sich verdüsterten und ihn mit einer Heftigkeit durchfuhren, die ihn erschütterte. Und dann spürte er die Stiche nadelscharfer Krallen in seinen Handballen.
    Isabella verfolgte das Spiel der Emotionen in seinen Augen. Sie konnte den genauen Moment bestimmen, in dem das Raubtier siegte, als orangerote Flammen in seinem Blick erschienen und schnell außer Kontrolle gerieten. Sie hätte weinen können, doch stattdessen lächelte sie ihn an. »Wir werden Sarina brauchen, um sich deine Wunden anzusehen, Nicolai, da mir das nötige Wissen fehlt.«
    »Ich werde sie zu dir schicken«, erwiderte er mit einer Stimme, die schroff, doch zugleich auch seltsam sinnlich klang. »Ich brauche und will keine Hilfe.« Er zwang sich, zwei Schritte zurückzutreten. Weg vom Paradies, weg von Trost und Frieden. Er würde Isabella oder sich selbst nicht entehren, wo er ihr doch nur ein schmerzvolles Leben und einen grauenvollen Tod zu bieten hatte.
    Wenn er nachts die Augen schloss, sah er immer wieder die fürchterliche Szene vor sich. Seine Mutter, die um ihr Leben rannte und mit weit aufgerissenem Mund um Gnade schrie. Ihr langes Haar hatte sich aus dem Zopf gelöst und wehte im Wind hinter ihr her. Und sein Vater … Nicolai hatte gesehen, wie er sich von einem Moment zum anderen von einem Mann in einen riesigen Löwen verwandelt hatte, der seine Mutter jagte, als wäre sie nicht mehr als ein Reh im Wald oder ein vor ihm zitterndes Kaninchen.
    Im Traum rannte Nicolai immer in dem verzweifelten Versuch auf sie zu, das Unvermeidliche noch zu verhindern, so wie er es auch im wirklichen Leben getan hatte. Ein Junge mit tränenüberströmtem Gesicht und einem kleinen Messer in der Hand – obwohl seine Eltern, ja sein Leben schon für ihn verloren waren. Es war eine jämmerliche Waffe gegen ein solch enormes Tier. Aber wann immer er die Augen schloss, geschah es wieder. Und er tat immer dasselbe, trug stets dasselbe Messer bei sich und sah jedes Mal wieder von Neuem zu, wie der Löwe sich auf seine Mutter stürzte und ihr mit einem einzigen brutalen Biss das Leben nahm.
    Nicolais Augen brannten, und sein Magen verkrampfte sich vor Abscheu. Heute Nacht war er kurz davor gewesen, Isabella anzugreifen. Erst im allerletzten Moment, als er gehört hatte, wie sie seinen Namen rief, war er wieder zu sich gekommen. Als er ihre Stimme vernommen hatte, die Worte der Liebe, der Vergebung und des Verständnisses für ihn wisperte. Er hatte die Bestie, die ein Teil von ihm war, voll und ganz in sich aufsteigen und die Kontrolle übernehmen lassen, als er die Wölfe vertrieben hatte. Das war noch nie zuvor geschehen. Doch nun, da seine Gefühle stärker und stärker wurden, entglitt ihm immer mehr die Kontrolle, und

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