Ungezaehmtes Verlangen
zum anderen. Die Therianer lebten hier unbehelligt seit über einem Jahrhundert.
Kara strich mit der Hand über den modisch geblümten Rock, den die Therianerin Marina ihr mit einem dazu passenden blauen Pullover geliehen hatte. Diese Leute mochten vielleicht seit vielen Jahrhunderten auf der Welt sein, aber sie gingen doch offenbar mit der Mode.
Am Fuß der Treppe trafen sie auf Paenther. Lyon streckte den Arm zum Gruß aus, und Paenther nahm die Begrüßung mit einem Kopfnicken entgegen. Doch als Lyon ihn losließ, wandte Paenther seine Aufmerksamkeit Kara zu.
Aus seinen sonst so harten Augen sprach nur noch Traurigkeit. »Es tut mir leid, Kara, dass ich dich nicht beschützt habe. Dass ich geglaubt habe, du wärst unsere Feindin.«
Kara ergriff seine Hand und drückte sie. »Das war nicht deine Schuld, Paenther. Ich wusste ja selbst nicht einmal, ob ich eine Magierfrau bin oder nicht.«
Paenther hob ihre Hand an seine Lippen und küsste ihren Handrücken. Es war keine galante Geste, sondern eher eine der Reue.
»Ich werde es wiedergutmachen. Ich finde bestimmt einen Weg.«
Kara lächelte. »Beherzige das nächste Mal einfach den Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten . Das wäre schon genug.«
Zu ihrer Überraschung verzog er den Mund zu etwas, das man beinahe als ein schiefes Lächeln bezeichnen konnte. »Abgemacht.«
Als sie das Wohnzimmer betraten, trat Jag zu ihnen. Er hob erstaunt die Brauen, als ihm Lyon den Arm entgegenstreckte. Jag klatschte ihn ab.
»Boss«, sagte Jag. Dann glitt sein Blick zu Kara. »Du siehst jetzt schon viel besser aus, hast wenigstens ein bisschen Farbe im Gesicht.« Er blickte auf den Boden, dann aber zu Lyon hoch – und Kara merkte, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. »Ich würde gern einen Augenblick mit unserer Strahlenden sprechen.« Er biss die Zähne zusammen und wirkte unsicher. »Allein.«
Sie spürte zwar Lyons Anspannung, doch er sah sie fragend an.
Kara nickte.
»Ich lasse dich nicht aus den Augen«, versprach Lyon.
Jag wollte sie anfassen, überlegte es sich dann offenbar anders und ließ die Hand wieder sinken. »Wie wäre es, wenn wir dort ans Fenster gingen, wo der König der Tiere mein Fell im Fadenkreuz hat?«
Er führte sie zum Fenster, drehte sich um und blickte kurz zu Lyon, bevor er ihr in die Augen sah.
»Ich wollte dir sagen, Kara, dass ich dich um … Verzeihung bitten möchte. Ich kann mich zwar in einen Jaguar verwandeln, aber eigentlich bin ich ein vollkommener Esel. Das war schon immer so.« Er verzog den Mund. »Das werden dir die anderen auch bestätigen.«
Er lehnte sich mit der Hüfte gegen das Sofa, das hinter ihm stand, und verschränkte die Arme. »Wir haben mit Strahlenden nicht so viel Glück gehabt. Deine beiden Vorgängerinnen mochte ich nicht besonders, und ich habe nicht damit gerechnet, dass es bei dir anders sein würde. Ich glaube, das wollte ich dir auf meine ganz eigene, besonders charmante Art zu verstehen geben, als ich dir zum ersten Mal im Fernsehraum begegnet bin.«
Er lächelte sie an, aber seine Augen blieben ernst. Irgendetwas an ihm sagte ihr, dass er sich selbst nicht besonders gut leiden konnte.
Sein Lächeln erstarb, und sein Blick wurde hart. »Ich habe gesehen, was dir Vhyper angetan hat. Die Schlange hat die Kontrolle verloren.« Er wandte den Blick ab und schüttelte angewidert den Kopf. »Ich wollte nur sagen … es tut mir leid, dass ich mich dir gegenüber so entsetzlich dumm benommen habe. Du bist wirklich … okay .« Letzteres sagte er, als überraschte es ihn selbst. »Du hast nicht nur das Tier gezähmt …« Sein Blick zuckte zu Lyon, als wüsste er genau, was sie da oben getan hatten.
Kara errötete.
»Du hast auch Pink für dich eingenommen, und ich habe mich in gewisser Weise in den Vogel verliebt. Sie hat mich gestern zum Laden geschickt, um eine Überraschung für deine Inthronisierungsfeier zu besorgen.«
»Wirklich?« Kara lächelte. Pink hatte ihr also vergeben. »Das freut mich, Jag. Danke.« Sie verspürte den Impuls, ihn zu umarmen, zögerte aber kurz und gab ihm dann doch nach. Sie trat vor und legte die Arme um seine schlanke Taille.
Er umarmte sie ebenfalls, und als sie sich wieder von ihm losmachte, steckte er ihr eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. »Siehst du? Ich kann auch eine brave Katze sein.«
Sie lachte. »Wenn du willst.«
Er zwinkerte ihr zu. »Verrat es aber keinem.« Er stand auf. »Komm, lass uns frühstücken. Marina backt Waffeln. Ich mag sonst
Weitere Kostenlose Bücher