Unglaubliche Reise des Smithy Ide
der Bevölkerung hatte, der dem Fußvolk der Zeitung nicht offen stand. Nach kurzer Zeit hatte mein Bruder eigene Zuständigkeiten, und binnen eines Jahres zeichnete er seine Artikel mit Namen. Vater hatte mir ein paar davon nach Korea geschickt. Walter hatte ein Gespür für Personen und Orte und ihr Verhältnis zu den Zeiten, in denen er schrieb, das so absolut einzigartig war, dass du das Gefühl hattest, von jemandem ins Vertrauen gezogen zu werden, dessen Worte nur für deine Ohren bestimmt waren.
Und diese Vielfalt von Themen. Ich erinnere mich an eins, hören Sie: ›The Blues Are Looking Rosy.‹ Das war die Überschrift zu einem Artikel über Ra Tanner, der zwölfsaitige Gitarre spielte und nur Songs über ein Mädchen namens Rose schrieb. Und dann ›Collards and Coloreds‹, ein Insiderblick in die Küche von Marie Bliss, die das erfolgreichste Schwarzenrestaurant aller Zeiten hatte. Später nahm Mrs. Bliss die Überschrift von Walters Artikel als Titel für ihr Kochbuch.«
Ein breites Lächeln ging über Philips Gesicht. Aber dann wurde sein Gesicht flach und sein Blick schwermütig.
»Alles okay, Philip?«
»Mir fehlt nichts, junger Mann. Vielen Dank. Er fing dann an, einer Serie über Heroin und die Jazz-Community zu schreiben – wenn ›Community‹ das richtige Wort ist. Trompeter. Besenschlagzeuger.«
»Mein Pop fand, Errol Garner war ein Genie.«
»Errol Garner hatte einen gewissen Swing«, sagte er fast widerwillig. Er schien wütend zu sein, und seine Augen blickten schmal auf die Straße.
»Mich persönlich lässt die absichtliche Verzerrung von Tonlage und Timbre zu irgendwelchen polyphonen Improvisationen eher kalt, aber ich gebe gern zu, dass ich vielen Dingen, die ich nicht verstehe, mit einiger Kälte begegne. Ja, und so schickte mein Vater mir drei Artikel aus Walters Jazz-Heroin-Serie. Und dann hörten die Briefe auf. Unvermittelt. Das war in Petersburg, 1951.«
Ich zögerte und sagte dann blöde und vierzig Jahre zu spät: »Ich hoffe, es war alles in Ordnung.«
Wir fuhren schweigend. Ich sah einen hohen Kaktus, und dahinter lugte meine schöne Schwester hervor. Beinahe hätte ich ihr zugewinkt, so real sah sie aus.
»Walter war zu … beschützt gewesen. In vieler Hinsicht war es schwierig, Vaters Welt in eine großstädtische Realität zu übertragen. Wohlgemerkt – nicht, dass Vater Unrecht hatte mit seinem Beharren auf Pflicht und Ehre und Glauben. Aber für die meisten Menschen ist es viel zu schwierig, diese Dinge in ihr Alltagsleben zu integrieren. Und Walter konnte es nicht. Er fiel tief, verfiel erst den treibenden, synkopischen Rhythmen des Jazz und dann seinen Rauschmitteln.«
Heroin, dachte ich. Walter.
»Erfahren habe ich es später, und ich glaube, ich habe den Ablauf der Ereignisse richtig zusammengefügt. Aber wer weiß? Als ich über unsere Lage informiert wurde und nach Hause zurückkehrte, war es vorbei.«
Vorbei, dachte ich. O Gott.
»Ich kam nach Ames zurück, und inmitten meines eigenen Chaos stellte ich fest: Walter, wie gesagt, fiel tief. Beim Heroin dauert es nicht lange. Es verspricht dir Euphorie, aber es bringt das Grauen. Das Grauen. Ein paar Monate, und es war aus mit den Artikeln mit seinem Namen. Aus mit dem Job. Freunde mussten sich von ihm abwenden. Ich sage Ihnen, es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich von Walter abzuwenden, und im Handumdrehen war er allein. Er floh nach Hause. Er lief wieder weg. Die Tage waren wie Jahre für Vater. Sein tüchtiger Sohn, sein begabter Sohn: im Geiste gebrochen. Wenn Walter nach Hause kam, bestahl er Vater. Er wurde zu einem Stück Treibgut. Mrs. Gautier erzählte mir später, er habe ihr tatsächlich Gewalt angedroht, wenn sie ihm kein Geld gäbe. Er bedrohte unsere liebe Mrs. Gautier, während Vater ohnmächtig in seinem Zimmer betete.
Eines Abends – Mrs. Gautier hatte aus Angst vor Walter ihre Stellung bei Vater gekündigt – flüchtete er wieder aus Chicago. Er kam nach Hause, wieder in der Hoffnung, seine Sucht in der Großstadt zurückzulassen und geheilt zu werden. Aber als er schließlich zu Hause ankam, war er nur noch die Bestie, die nach Geld stöberte. Diesmal machte Vater sich keine Illusionen. Das Gebet hatte ihm Kraft gegeben. Es würde eine beinahe übermenschliche Zielstrebigkeit erfordern, eine bedingungslose Entschlossenheit, meinen Bruder vor sich selbst zu retten.«
Philip lächelte bitter, ein Lächeln, das nach innen ging und eigentlich nur eine Falte in seinem Gesicht
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