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Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
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war. Er schüttelte den Kopf, und jetzt sah er älter als sechzig aus. Die abwärts gewandten Mundwinkel hatte ich auch im Gesicht meines Vaters gesehen. Ich wollte nicht mehr mit ihm sprechen. Mir war, als sähe ich eine Frau, dürr wie Draht, alt, in Lumpen. Mir war, als sähe ich sie hinter einem kleinen Canyon, durch den wir rollten. Ich schloss fest die Augen.
    »Letzten Endes ist alles Vermutung. Ein Zusammentragen von Ereignissen. Im Grunde genommen ein privater Glaube an diese Ereignisse. Trotzdem war es nötig, wie gesagt – für mich selbst als Mann und Sohn und Bruder, mir im Klaren zu sein. Soweit das möglich war. So nah an der tatsächlichen Wahrheit, wie ich sein konnte. Und deshalb habe ich diesen Abend nachgeschöpft, wie er, glaube ich, war, damit ich es vielleicht verstehe.«
    Ich öffnete die Augen, und die Alte war nicht da. Wir rollten aus dem Canyon hinaus und zurück in die flache Wüste. Philips Gesicht war ausdruckslos. Es blitzte im Westen, und fünf, sechs Sekunden später rollte der Donner über uns hinweg.
    »Natürlich kann ich da nicht sicher sein«, sagte Philip leise. »Vielleicht ist es das Kreuz, das ich tragen muss, aber ich muss doch sagen, dass ich persönlich zufrieden bin mit den Schlussfolgerungen, die ich gezogen habe. Vater stellte Walter im Pfarrhaus zur Rede. Ich glaube, dass Walter versuchen wollte, die Kommunionskelche zu verkaufen; sie hatten einigen Wert, als Antiquitäten und als Silber. Walter war nicht mehr unser Walter, und ich bin sicher, das war meinem Vater klar. Irgendwie kam es zu einem Kampf um die Kelche, und Walter schlug Vater. Ich bin absolut sicher, dass dieser Schlag nicht dazu gedacht war, einen so kräftigen Mann wie meinen Vater zu verletzen oder zu töten. Daher war es, ganz gleich, was die Polizei feststellte, eine einleuchtendere Erklärung, dass der Schlag gegen meinen Vater einfach einen bereits existierenden Zustand löste. Ein Gerinnsel, eine Schwäche des Schädelgewebes, etwas, wie gesagt, bereits Existierendes.«
    »Walter tötete …« Die Worte kamen einfach aus meinem Mund, und ich konnte sie nicht mehr herunterschlucken.
    »Nein, nein, im Grunde … im Grunde war Walter nur der Katalysator. Er schlug ein Leiden los. Das Leiden selbst, was immer es gewesen sein mag, war der Grund für Vaters Heimgang. Und Walter, allein im Pfarrhaus, das Zimmer verwüstet, die Kelche überall verstreut, begreift jetzt, was geschehen ist. Vater liegt da wie in einem Alptraum. Als sei Walter aufgewacht, nur um noch größeres Grauen zu erleben. Vater. Gütiger Gott!«
    Philip umklammerte das Lenkrad. Er zitterte ein bisschen. Er griff nach seiner Zigarettenschachtel, aber er bekam keine Zigarette heraus. Ich nahm ihm die Packung aus der Hand und zündete ihm eine Zigarette an – meine erste seit der Trauerfeier. Sie schmeckte schlecht. Ich reichte sie ihm. Er nahm einen kleinen Zug und legte die Hand wieder auf das Lenkrad.
    »Walter stürzte in die Kirche – so, wie ich es nachgeschöpft habe -, riss ein Kissen von einer der Bänke und rannte zurück ins Pfarrhaus und die Treppe hinauf. Man fand das Kissen, liebevoll unter Vaters Kopf geschoben. Das ist eine unanfechtbare Tatsache.«
    Entschlossen zog er an seiner Zigarette.
    »Ein Kissen«, sagte er mit einer Rauchwolke.
    Es hatte angefangen zu regnen. Ein leichter, gleichmäßiger Regen. Wieder donnerte es über uns, aber der Blitz war mir entgangen.
    »Walter floh aus der Kirche und rannte über das freie Feld in Iowa zu unserem Haus. Er lief in Vaters Arbeitszimmer, riss das Schloss von dem Gewehrschrank, in dem alle Männer der Familie Wolsey ihre Schrotflinten aufbewahrten. Moorhühner, Rebhühner. Auch Fasane. In panischer Hast lud er seine Flinte, drückte sich die doppelte Mündung an die Augen und floh mit Vater aus dieser Welt.«
    Es blitzte. Diesmal sah ich es. Philip drückte die Zigarette aus. Er wirkte verlegen.
    »Ich grüble, sehen Sie?«
    »Das ist so hart.«
    »Hart ist diese Wüste. Hart ist dieser Kopf hier.« Er klopfte sich an die Schläfe. »Dieser alte schwarze Kopf.«
    Wir fuhren. Wir fuhren aus dem Regen hinaus und ließen das Donnerkrachen hinter uns. Zehn Meilen weiter sagte ich: »Bethany hat Onkel Counts Hund Wiggy umgebracht. Sie hat das süße Tier gepackt und in die Gefriertruhe gestopft.«
    Philip warf einen Blick zu mir herüber. »Das ist hart«, sagte er.
    »Ich habe noch nie jemandem davon erzählt.«
    »Danke«, sagte er, »dass Sie es mir erzählt

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