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Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
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ich eines Tages verstehe.«
    Darüber dachte ich einen Moment lang nach. »Dass Sie was verstehen?«
    »Das ist mir im Einzelnen nicht klar, aber ich möchte zum Verständnis des Warum kommen. Warum. Ich würde gern zum Anfang zurückkehren. Darum grüble ich.«
    Wir fuhren, schwer und weich. Mein Rad, hinter mir eingeklemmt zwischen Hundefuttersäcken. Was Philip Wolsey sagte, leuchtete mir ein.
    »Ich würde auch gern zurückgehen«, sagte ich. »Vielleicht ist das ein Teil dieser Suche.«
    »Möglich.« Er nickte nachdenklich. »Aber ich glaube, da ist noch mehr dabei.«
    »Vermutlich«, sagte ich.
    Wir fuhren eine leichte Steigung hinauf. Ich konnte den Morgen nicht sehen, aber ich konnte ihn fühlen. Philip zündete sich eine Zigarette an. Seine Mütze furchte sich bis tief über die Augen. »Was hoffen Sie an Bethanys Ruhestätte zu vollenden?«
    Ein paar Sekunden lang hatte ich vergessen, dass ich ihm im Restaurant ein bisschen über Bethany erzählt hatte. Ich zuckte nur die Achseln.
    Wir fuhren schweigend. Philip zog nur ein paar Mal an der Zigarette. Grübelnd.
    »Ich bin sechzig Jahre alt«, sagte er, den Blick fest auf die Straße gerichtet.
    »Ich dreiundvierzig«, sagte ich. »Ich hab tatsächlich mal 279 Pfund gewogen. Ich weiß es nicht, Philip. Ich weiß es einfach nicht.«
    Jetzt schob sich der Rand einer orangegelben Sonne über die Plateaus am Ende der Wüste.
    »Vater war Episkopalgeistlicher.«
    »Ich bin auch in der Episkopalkirche. Irgendwie. Ich meine, ich gehe nicht mehr hin oder so. Und … und natürlich bin ich nicht … gläubig.«
    »Sie sind nicht gläubig?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Wie ich sagte. Ich weiß es einfach nicht.«
    Philip nickte und drehte das Fenster einen Spaltbreit herunter. Salbei- und Kiefernduft. Ich fand, die Wüste duftete ganz wie Tante Paulas Truthahnfüllung.
    »Ich wurde nach Sir Philip Sidney genannt, dem britischen Abenteurer und Dichter. Mein Bruder wurde aus ähnlichen Gründen nach Sir Walter Raleigh getauft.«
    »Ich heiße nach dem Baseballspieler, der das erste Double Play gemacht hat.«
    Philip lächelte und tat, als fange er einen Baseball. »Ja. Wir haben auch Baseball gespielt. Eigentlich alle Sportarten, die in Ames zur Verfügung standen. In unserer kleinen Stadt in Iowa. Die Wolsey-Boys. Walter war fünf Jahre und ein paar Monate älter als ich. Zur Schule gingen wir in St. Thomas Priory, neben Vaters Pfarrkirche. Eine sehr liberale, ausgleichende Schule. Alte Sprachen und Naturwissenschaften. Und ausgezeichnete Leute. Die Lehrer wie auch die Schulkameraden. Walter und Philip Wolsey waren die einzigen farbigen Kinder – die einzigen Kinder afrikanischer Herkunft -, aber wir fanden eine Gemeinsamkeit mit den anderen, die uns auf Jahre hinaus stark gemacht hat.
    1943 ging Walter natürlich zum Militär. Er wurde achtzehn, und hops! war er in der Army, wie ein Springteufel. Wir alle hatten Angst, aber Vater sprach mit uns über Pflicht und Ehre und, kurz gesagt, eine spezielle amerikanische Verpflichtung, zu dienen und sich dem Gemeinwohl zu opfern. Möchten Sie Kaffee?«
    »Nein danke«, sagte ich. »Ich hab mich auch geopfert. Wurde eingezogen.«
    »Das Schicksal und das Glück wollten es, dass der Krieg zu Ende war, bevor er die Staaten verließ, und ehe wir uns versahen, war er aus der Army ausgeschieden und verschwand zur University of Chicago. Vaters Alma Mater. Sein Vermächtnis. Walter hatte sich auf so vielen Gebieten ausgezeichnet, er hätte an jedem College studieren können, das farbige – afrikanische – Studenten akzeptierte.«
    »So gescheit war er?«
    »Begabt. Intellektuell überlegen – und ich bin kein Mensch, der mit Superlativen um sich wirft. Begabt.«
    »Das ist toll.«
    »Er stand im Who’s Who on Campus – 1946, 1947, 1948. Examen nach drei Jahren. Ich werde nie vergessen …«
    Er zündete sich wieder eine Zigarette an.
    »Ich werde nie vergessen, wie ich mit Vater zum Examen hinauffuhr. Groß, flachschädelig – wahrlich die Züge einer Aristokratie, die in unserem Universum keinen Platz mehr hat. Das ist meine Theorie.«
    Philip nahm einen Zug und drückte die Zigarette gleich wieder im Aschenbecher aus. Wieder fuhren wir schweigend miteinander, und die Sonne kam herauf, und die weite, trockene Erde dehnte sich vor uns.
    »Das ist meine Theorie«, wiederholte er, fast zu sich selbst. »Sein Examensthema war die englische Literatur, und da speziell Thomas Hardy. Vater nahm an, dass Walter Lehrer werden

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