Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
Vom Netzwerk:
Gefühl, dass Mr. Stimme dafür zu schlau war und immer schlauer wurde.
    »Hallo, Mr. Ide«, sagte sie und gab mir die Hand.
    Sie erinnerte sich an meinen Namen! Sie wusste jetzt, dass ich etwas mit ihrer Patientin zu tun hatte.
    »Hallo, Dr. Glass«, sagte ich. Mir war, als habe sie meine Hand vielleicht einen Sekundenbruchteil länger als nötig festgehalten, aber ich war nicht sicher.
    Bethany und Dr. Glass gingen ins Sprechzimmer, und ich setzte mich wie immer in die Warteecke und las. Ich las in einem alten Outdoor Life, das weiß ich noch, bis ungefähr eine Viertelstunde später eine fassungslose Georgina Glass herauskam.
    »Mr. Ide?«, flüsterte sie drängend. »Können Sie kurz hereinkommen?«
    Ich wusste sofort, was Dr. Glass so sehr durcheinander gebracht hatte. Sie ging immer so unbekümmert und fröhlich mit uns allen um; es war klar, dass sie nie erlebt hatte, wozu die Stimme imstande war. Die Posen. Die Bewegungslosigkeit. Und da, neben der Ecke des zierlichen, schwarzen antiken Schreibtischs der Psychiaterin, stand Bethany, den linken Arm ausgestreckt, die Schultern hochgezogen, starr.
    »Sie bewegt sich nicht. Sie bewegt sich nicht«, sagte Dr. Glass ängstlich, aber leise. »Sogar … sogar … Atmet sie noch? Kann es sein, dass sie nicht mehr atmet?«
    »Doch, sie atmet. Es ist schon oft genug passiert. Ich weiß, dass sie atmet.«
    Wir standen neben Bethany und beobachteten sie aufmerksam. Das ist noch so eine Sache mit ihrer Pose: Sie ist faszinierend, hypnotisierend. Sie ist schrecklich, weil sie so absolut unnatürlich wirkt, aber gleichzeitig ist sie erstaunlich und schön.
    »So etwas habe ich noch nie gesehen. Kann sie uns hören?«
    »Ich glaube, die Stimme hört uns.«
    »Die ›Stimme‹?«
    Ich sah die Ärztin an und wandte mich von meiner erstarrten Schwester ab.
    »Da ist etwas in Bethany. Immer schon. Es verdirbt alles. Es sagt ihr Dinge, es befiehlt ihr, alles Mögliche zu tun, und dann tut sie sie. Ich hasse es.«
    »Sie hört Stimmen?«, fragte Dr. Glass ganz überrascht.
    »Sie hört eine Stimme. Die Stimme. Ich hab versucht, es dem anderen Arzt zu erklären … Glenn Golden …«
    »Ich kenne Glenn …«
    »Es hat ihn nicht interessiert. Er hat es nicht geglaubt. Das war, bevor ich nach Vietnam musste und verwundet wurde und so was wie ein Held war und nach Hause kam, ohne dass ich eine Freundin hatte oder sonst was.«
    »Sie waren in Vietnam? Sie armer Junge.«
    »Na ja … wissen Sie … Ich bin viel älter, als ich aussehe.«
    Sie starrte wieder meine bewegungslose Schwester an. »Warum hat man mir davon nichts erzählt? Warum stand nichts davon in der Krankengeschichte?«
    Dr. Glass hatte nichts mehr von dieser förmlichen, irgendwie angenehmen Steifheit, mit der sie uns an der Tür begrüßt hatte. Bethany hatte sie so durcheinander gebracht, dass sie den Doktorkram ganz vergaß. Sie bewegte sich sinnlicher, wenn man das so sagen kann – einfach wie Georgina Glass. Ich holte tief Luft.
    »Tja, Georgina, Sie haben mir und Mom und meinem Pop gesagt, Sie wollten alles von meiner Schwester selbst erfahren. Und eine Menge davon, das ganze Zeug mit der Stimme, steht nicht in der Akte, weil Dr. Golden es nicht geglaubt hat. Ich war nicht lange genug dabei, als er sie behandelte, weil ich nach Vietnam musste, wo ich achtzehn oder zwanzig Mal verwundet wurde und das ›Purple Heart‹ bekam.«
    »Sie haben das ›Purple Heart‹ bekommen?«
    Jetzt könnten manche vielleicht finden, dass ich mich wie ein kleiner Pinsel aufführte und dauernd von mir erzählte, während Bethany in ihrer Pose, ihrem Stillleben, steckte. Aber es hat etwas Tröstliches, zu wissen, wo sie zu einer bestimmten Zeit war. Manchmal, vor allem, als ich noch jünger war, wünschte ich mir, sie hätte die Möglichkeit, für immer in einer Pose zu leben, denn dann würden wir immer wissen, dass die Stimme sie uns nicht wegnehmen konnte.
    »Hören Sie«, sagte ich, »ich weiß, es ist vielleicht ein blöder Augenblick für diese Frage, aber …«
    »Wie alt sind Sie?«
    »Wie alt ich bin? Jetzt?«
    »Ja.«
    Ich nahm zu. Ich hatte einen Job. Ich war zwanzig … bald einundzwanzig.
    »Ich bin … sechsundzwanzig.«
    »Sie sehen jünger aus.«
    »Viele sagen, ich sehe jünger aus.«
    »Ich bin neununddreißig.«
    Sie duftete – ich lüge nicht – nach Pfirsich. Wirklich. Nach Pfirsich. Die Haut auf ihren Wangen und ihrer Stirn war feucht. Ihre Brüste trugen mühelos die Perlenkette an ihrem Hals.
    »Wie finden Sie

Weitere Kostenlose Bücher