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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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Schwiegereltern einander vorstellen können. Eine akzeptable Teekanne besaß ich, jedoch keine überzeugenden Tassen; also kaufte sie dünnwandige weiße, durch die man bei Sonne die Farbe des Tees schimmern sah.
    Es war beschämend und korrumpierend. Ihr machte es Spaß, die Wohnung auszustatten. Ich durfte von erwachsener Kultiviertheit kosten und eintreten in den Club ihres Stils. Sie brachte signierte Grafiken und ein nebulöses Acrylgemälde, damit ich meine Plakate durch echte Kunst ersetzte. »Lieber ein zweitklassiges Original als eine erstklassige Reproduktion«, lehrte sie. Ein Antiquitätenhändler klingelte und trug einen Kleiderständer herein, Wien, Thonet, ein hundertjähriges Original, das sie in einem Auktionshaus entdeckt hatte. Der Händler, der so viel Lebenslust ausstrahlte, dass ich eigentlich mit ihm anstoßen wollte – nur war kein Sitzplatz frei, alles mit Kleidern und Büchern belegt –, sah sich gut gelaunt in der Wohnung um. »Mit irgendetwas muss man anfangen«, sagte er schließlich aufmunternd. Beim Sammeln alter Kostbarkeiten, meinte er. Ich musste erst lernen, dass ein sperrig verbogenes Gestänge nicht nur teuer, sondern auch schön und mit etwas Mühe sogar benutzbar war. Sie abonnierte mir den New Yorker , in der Annahme, ich beherrschte ausreichend Englisch,um die Ironie der Essays oder wenigstens die Bildunterschriften zu verstehen.
    Ich hatte mich als Model gefühlt. Jetzt modellierte sie mich. Ich ließ es geschehen. Aus dem New Yorker lernte ich als Erstes, dass ich ein ausgehaltener Mann war, ein kept man . So lautete die Vokabel in einer Reportage über Raymond Chandler und seine achtzehn Jahre ältere Frau. Und wie war das mit Chopin und George Sand gewesen? Sie war die Ältere, Wohlhabende, gesellschaftlich Gewandte; er durfte auf ihre Kosten den Künstler spielen. Annette Droste-Hülshoff war siebzehn Jahre älter als Levin Schücking und verschaffte ihm zum Dank für ungenannte Dienste Geld, Stellungen und Publikationsmöglichkeiten.
    Dass Hannah für mich zahlte, steigerte immerhin mein sexuelles Selbstbewusstsein. War ich bestechlich? Offensichtlich. Hatte ich deshalb Bedenken? Nein. Ich konnte mich als gedungener Knecht fühlen, und das hatte einen entlastenden Nebeneffekt. Ich musste mir keine Gedanken machen, ob ich sie liebte oder überhaupt jemals in sie verliebt gewesen war. Die Vorstellung, mich zur Verfügung zu stellen und benutzt zu werden, wog leichter. Sie fragte auch nie nach Liebe. Womöglich traute sie mir keine wahrhaftige Antwort zu.
    So war ich ihr geheimer Spielgefährte und allmählich vorzeigbarer Gesprächspartner bei Ausstellungen und Konzerten und in den verrauchten Bars danach. Sie hatte das alles bislang allein unternommen, zuweilen mit ihrer Künstlerfreundin, die inzwischen eingeweiht war. »Genieß das, solange es läuft«, hatte die ihr geraten. Ich schwieg, als Hannah davon erzählte, und sie drang nicht in mich, was das Wie lange betraf.
    Weil sie sich für Anthroposophie interessierte, fanden wir uns in Vorträgen wieder, die für durchgeistigte ältere Zuhörer in Webgewändern gehalten wurden, in Seminarhäusern, in denen außer am unteren Türrand kein rechter Winkel zu entdecken war. Ich begleitete sie zu gespenstischen, aus Grüften entschwebten Tanzdarbietungen in Schleiern und fließenden Farben. Wir besuchten einen kargen Wochenmarkt im Hof der Rudolf-Steiner-Schule, mit biodynamischen Karotten und pappig aufgetautem Vollkornbrot. Etwas musste anders werden.

Zweifel des Troubadours
    An Donnerstagabenden trafen wir uns in einem Gesprächskreis, zu dem sich ein Dutzend verschrobener Genies in einem Teehaus im Hirschpark versammelte. Die Themen, wechselnd von Woche zu Woche, hießen Karma und Wiedergeburt , Geheimnisse der Farbenlehre , Antike Mysterienweisheit oder Wege zur Selbsterkenntnis .
    Diese Runden, in denen Hannah selten etwas sagte – und wenn, dann nur Ausgleichendes – und an denen ich mit schweigendem Vorbehalt teilnahm, endeten erst nach Sonnenuntergang. Wenn wir das Reetdachhaus verließen, war der Park in magisches Zwielicht getaucht. In der alten Lindenallee, über den Entenweihern und auf den von Rhododendren überwölbten Wegen schien etwas von den beschworenen Mysterien zu schweben. Die Drosseln, deren späte Strophen uns begleiteten, besangen mühelos den Frieden, um den die Redner gerungen hatten. Die Scharen von Kaninchen, die sich um diese Zeit auf den Rasen trauten und angesichts der späten Wanderer

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